Für viele im Bundestag vertretenen Politiker ist dieser Beruf weniger eine Berufung als eine Beförderung bzw. Weglobung nach oben. Sind solche Politker schon vorher den Interessen des Volkes - im Gegensatz zu dem des Kapitals - nicht sonderlich gewogen, droht oben erst recht Weltfremdheit, Realitätsferne und Abgehobenheit.
Nicht jedem Politiker ist es gegeben, sein Talent dort im Amt zu entfalten, wo es gebraucht wird. Häufig stehen auch die Anforderungen an das Amt mit den Qualifikationen des Amtsträgers und seiner Bildung in einem krassen Missverhältnis. Kein Wunder also, daß ihre rhetorischen Begabungen und das Talent, Dinge auf den Punkt zu bringen, hinter den Anforderungen zurückstehen.
Aus dem Leben in einer Eigenwelt drohen auch ganz eigene Weltsichten, die dem normalen Bürger verborgen blieben, wenn der Politiker nicht gerade eine Rede halten würde bzw. müsste. Rhetorische Fehlleistungen entstehen regelmäßig dort, wo die Realität hinter den Erwartungen an die Politiker zurückgeblieben sind. Je weiter sich ein Politiker von der Realität entfernt hat, desto größer ist das Risiko einer verbalen Ausfälligkeit. Ein sicherer Hinweis auf die fehlerhafte Weglobung in dieses Amt.
Dort wo rednerisches Talent durchaus vorhanden ist, wird es nur allzu oft vor den Karren des Populismus gespannt und für hohle Phrasen von Politikern missbraucht, die zu Phrasendreschern mutieren. Dort, wo Redner zu Populisten werden, ist seine eigentliche Begabung schon verloren.
Eine Rede ist meist als Weckruf gedacht, aber aufgrund der Realitätsferne des Redners geht der Schuss dann nach hinten los und wird zum Boomerang für den Redner. Ein besonders krasses Beispiel ist die Rede des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, der im Februar 2010 zur Attacke blies.
Guido Westerwelle attackierte in seiner »Kassandra«-Rede den Sozialstaat und geißelte inidiekt seine Nutzer. Ufere die Hartz-IV-Mentalität aus, würde Deutschland "spätrömische Dekadenz" drohen, fürchtete der FDP-Chef. Wollte er damit das Ende der Sozialstaatlichkeit herbeireden? Offenbar hatte er ein schiefes Geschichtsbild. Sonst hätte er nicht solche Phrasen verbreitet - die zudem die Falschen treffen.
Westerwelle outete sich damals als Politiker und Mitglied einer Partei, dessen Mentaltät selbst Ausdruck tiefster spätrömischer Dekadenz ist. Nicht etwa die Hartz-IV-Empfänger sind spätrömisch dekadent in Deutschland, weil systematsich armgerechnet und ausgeplündert, sondern abgehobene Politiker, die sich von der Lebenswirklichkeit der Menschem allzu grob fahrlässig verabschiedet haben.
Man muss nicht gar nicht spätrömisch dekadent sein, um zu begreifen, in welcher abgehobenen und abgeschotteten Welt Politiker heute leben und welche Mentalität der selbsternanten und vermenitlichen "Eliten" in diesem Land sich dahinter verbirgt - Eliten, welche angesichts des Verschuldens zweier Weltkriege in einem Jahrhundert besonders krass versagt haben.
Diese "Eliten" haben dafür gesorgt, dass ein aus Österreich entlaufener erfolgloser Maler mit zweifelhaftem Geschichtsbild als Kanzler des Deutschen Reiches mit seinen wahnhaften Vorstellungen den Kontinent in den Abgrund gestürzt hat. Diesem Ungeist kann man nun aber alles vorwerfen, aber nur nicht ein Mangel an rednerischem Talent. - Ungeist und Abgrund sind hier Wesensverwandte.
Es gibt aber natürlich auch viele rhetorische Ausnahmen und Talente, bei denen Geist und Talent in Einklang stehen. Rednerische Begabung entfaltet sich dann am besten, wo Talent auf Geist stösst - in Deutschland (leider) eher eine Ausnahme - aber der politisch glücklose Baron Theodor zu Guttenberg war ein solches Ausnahmetalent.
Manchmal entfaltet sich rednerische Begabung dort, wo sie eigentlich gar nicht gefragt ist. Immer wieder äußert sich Bundespräsident Gauck zu außenpolitischen Themen und sorgt für Kontroversen. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages heißt es laut "Bild" nun, Gauck müsse jede Form der "Nebenaußenpolitik" vermeiden.
Manche Redner können mit einer einzige Rede eine ganze Nation anfeuern hinter sich versammeln. Winston Churchill hat mit seiner »Blut, Schweiß und Tränen«-Rede die Briten auf die drohende Invasion eingestimmt und von ihnen entsprechende Bereitschaft zum Kampf und auch Opfer abverlangt.
Der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King hat am Denkmal Abraham Lincolns in Washington eine berühmten Rede gehalten, die als Sternstunde Amerikas gilt. Am 28. August 1963 hielt Martin Luther King bei einer friedlichen Demonstration in Washington seine berühmte Rede »Ich habe einen Traum.«. Die bewegende Rede war eine der wichtigsten Ansprachen während des Marsches der Bürgerrechtsbewegung nach Washington und zugleich der Höhepunkt der Bewegung, die sich für mehr Gleichberechtigung der Schwarzen einsetzte.
Redner gibt so viele, wie es Rednertypen gilt. Manche davon regen durchaus zum Träumen an.
Weblinks:
<a href="http://blog.my-skills.com/2007/05/03/grossartige-reden-des-20-jahrhunderts.html" target="blank">Grossartige Reden des 20. Jahrhunderts</a> - http://blog.my-skills.com
<a href="http://kulturwelt.blog.de/2013/08/28/50-jahren-hielt-martin-luther-king-beruehmte-rede-i-have-a-dream-19685233" target="blank">Vor 50 Jahren hielt Martin Luther King seine berühmte Rede »I have a dream«</a> - http://kulturwelt.blog.de
<a href="http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/herbstgutachten-wirtschaftsweise-rechnen-mit-sattem-konjunkturplus-a-728126.html" target="blank">Westerwelles Sozialstaatsattacke: Er kam, sah und patzte ...</a> - www.spiegel.de
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Westerwelle vermutete also spätrömische Dekadenz in Deutschland und macht indirekt Hartz-IV-Empfänger dafür verantwortlich. Da darf man sich schon mal besorgt fragen: Welche apokalyptischen Szenen mag Westerwelle der Seher vor seinem inneren Auge erblickt haben? Enthemmte Hartz-IV-Horden, die sich für ihren Regelsatz von 359 Euro kistenweise Aldi-Schampus kaufen? Und die dann auf ihren Third-Hand-Sofas aus dem Caritas-Möbellager wilde Orgien feiern, bei denen neue Almosenempfänger-Generationen gezeugt werden? -->