Mittwoch, 22. Januar 2020

Weltwirtschaftsforum: Sozialer Aufstieg ist schwer

Menschen in einer Fußgängerzone in Stuttgart

Eine Studie des Weltwirtschaftsforums belegt: Sozialer Aufstieg ist allgemein schwer. - Doch in gerade in Deuschland ist er besonders schwer. Die Ökonomen mahnen: Aufstiegschancen seien wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.


Der soziale Status wird in Deutschland - wie auch alle anderen sozialen Besitzstände - an die Nachkommen vererbt. Nicht nur Firmenanteile, auch Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Apotheken. Und oft sogar politische Ämter, vor allem auf der kommunalen Ebene. Ob jemand durch Befähigung, Berufung oder Leistung Mediziner wird, spielt eine geringere Rolle in Deutschland als die Medizinberufe der Verwandten.


Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft

Der Mythos von den Leistungseliten

Manchmal stellt man beim "Nachwuchs" fest, daß da von der Fachkompetenz her sehr gute Leute dabei sind. Allerdings mangelt es an sozialer Kompetenz. Ein Small-Talk mit Kollegen um sich besser kennen zu lernen und besser zusammen zu arbeiten, ein lockeres, sympathisches Gespräch mit Geschäftspartnern für die Kundenbindung, das Eingehen auf vielleicht schwierige Situationen im eigenen Umfeld. Das alles ist keine schulische Bildung und auch keine an der Uni. Dabei sind diese Fähigkeiten extrem wichtig und diese müssen durch das Elternhaus vermittelt werden oder andere Erziehungsberechtigte.


Bei ungehemmter weiterer Umverteilung nach oben, muss die Wohlstandspyramide zwangsläufig spitzer werden. Im Mittelalter gab es Adelstitel und Besitz zu vererben, heute Karriere. Eine Studie hat gezeigt, daßs jene, welchie die lukrativsten Jobs bekommen, aus den immer gleichen drei Prozent der Familien stammen. Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, werden aber seltener.

Dieses System funktioniert perfekt. Abstiegsmöglichkeiten bestehen nämlich ebensowenig wie Aufstiegschancen. Reich und wohlhabend wird man bei uns nicht. Wer es ist, war es schon. Und bleibt es auch, unabhängig von Leistungen oder Fähigkeiten. Wer es nicht ist, wird es auch nicht.

Die Lösung für sozailen Aufstieg lautet: Die Erbschaftssteuer auf hundert Prozent erhöhen und jeder soll bei Null anfangen. Das müsste doch grade jenen, die glauben, nur aufgrund von eigenem Fleiß und Intelligenz oben zu stehen, besonders gefallen.

Literatur:

Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft

Der Mythos von den Leistungseliten von Michael Hartmann

Blog-Artikel:

Geschlossene Gesellschaft - Über den Aufstieg der Elite - Torpedo-Blog

Samstag, 18. Januar 2020

Verfehlte Agenda-Politik

Die Agenda-Politik hat soziale Verwerfungen hervorgerufen, welche die Politik nicht beseitigen will. Politiker müssen die Probleme schon verleugnen, die sie nicht beheben wollen. Beides sind eindeutige Indzizien eines zunehmenden Realitätsverlustes der politischen Klasse in diesem Land.

Das zugrundeliende Wahrnehmungsmuster ist in etwa folgendes: Armut, die nicht vor unserer Haustüre vorkommt, gibt es auch nicht! Solange sich niemand beschwert, müssen die Probleme auch nicht behoben werden.

Viele Politiker der SPD leben in einem Wolkenkucksheim, abgehoben von der Welt und ihren sozialen Problemen. Dort wird kein Gericht gehalten über verfehlte Politik.

Die "Agenda 2010" hat die Deutschen in Gruppen geteilt, bei dem man nach dem Zustand der Zähne die soziale Schicht zuordnen kann, hat die Versicherungsbranche mit diesem unsäglichen Betrügerpaket "Riesterrente" reich gemacht. Es gibt inzwischen Versicherungen, die sich leise weigern, es zu verkaufen.

Hartz IV, die ganzen Billigheimer-Jobs und die Lohnspirale nach unten mit Verleihfirmen, Werksverträgen und anderen Tricks hat Millionen von Deutschen in die Armut gesc hleudert, das Rentendesaster 2030 ist kaum noch aufzuhalten und die Immobilienblase hat gerade erst begonnen und die "Mietpreisbremse" funktiuoniert in der Praxis nicht.

Die sogenannte Elite hat sich so weit von der Basis entfernt, dass sie jeden Anstand verloren hat. Es ist doch der blanke Hohn, im Angesicht von zig tausend Menschen, die an den Tafeln anstehen, zu sagen, das braucht es nicht. Was machen die denn dann dort? Ist das eine besondere Form von Polonaise? Anstand, Bodenhaftung,Respekt - das wären die Eigenschaften, die man in der Führungsriege schmerzlich vermisst.

Seltsamerweise werden "die da unten" (Arbeitslose, Hartz IV-Empfänger, Aufstocker) immer eher als "Schmarotzer" bezeichnet und gegen diese gnadenlos vorgegangen um, die schon ganz unten sind. Da können die Cents nicht oft genug umgedreht werden. Da fabulieren SPD und CDU, daß das Geld auch erwirtschaftet werden muss, man angebliche Faulheit bestrafen muss. Da wird sogar das Existenzminimum gekürzt - wie geht das eigentlich? Wenn die Schmarotzer aber maßgeschneiderte Anzüge tragen, und es um zig Milliarden Euros geht, dann ist das ganze plötzlich Globalisierung. - Schon sehr merkwürdig unser aller Moral.

Mittwoch, 15. Januar 2020

Diskussion um Hartz 4

Jens Spahns Einschätzungen darüber, dass man als Empfänger von Grundsicherung in Deutschland nicht hungern müsse, enthalten genau genommen zwei diskussionswürdige Aspekte. Der eine handelt von Jens Spahn, und der andere betrifft die Hartz-IV-Regelsätze.

Seit die Hartz-Leistungen eingeführt wurden, also seit dem Jahr 2002, bis heute, gibt es eine fortwährende Diskussion darüber, was ein Mensch zum Leben braucht. Seit 16 Jahren verläuft die öffentliche Diskussion darüber fast ausschließlich über das Mittel der Denunzierung und Verhöhnung der Leistungsempfänger.

Auf Anhieb fallen einem Guido Westerwelles Äußerungen über die spätrömische Dekadenz ein. Das war 2010. Da hatte bereits das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem Richterspruch die Hartz-IV-Berechnungen für Kinder infrage gestellt. Obwohl also von allerhöchster, objektiver Stelle eine Nachberechnung angemahnt wurde, fand Westerwelle sich in einer Diskussion wieder, "die sozialistische Züge" trage. Er sah in den Sozialleistungen vor allem das Versprechen für einen "anstrengungslosen Wohlstand" und die Einladung "zur spätrömischen Dekadenz".

Zuvor, 2008 und 2009, versuchte sich Berlins damaliger Finanzsenator Thilo Sarrazin mit Tipps für ALG-II-Empfänger. Als es darum ging, für diese Gruppe Sozialtarife bei Energieversorgern einzurichten, wehrte Sarrazin sich vehement. "Einfach mal einen Pulli anziehen", hieß einer seiner Ratschläge. Oder "kalt duschen ist gesünder" und überhaupt "Hartz-IV-Empfänger haben es gerne warm", außerdem sei das "geringste Problem von Hartz-IV-Empfängern das Untergewicht".

Seiner Partei empfahl er grundsätzlich eine Antwort auf den "linken Illusionismus". Dabei ging es einfach nur darum, dass die Energiepreise stiegen und damit die Frage aufkam, wie sich das auf die Hartz-IV-Berechnungen auszuwirken habe.

Und weil ständig neu und vor allem viel zu knapp berechnet wird, wird kaum diskutiert, dass das deutsche Sozialhilfewesen ein ineffizientes und hoch fehlerhaftes System ist. Während in den Jahren 2002 bis 2006 monatlich 10.000 Einwände gegen die Bescheide gezählt wurden, sind es mittlerweile 60.000 Einwände. Monatlich! Das bedeutet, dass Hunderttausende von Klagen sich in einem Jahr anhäufen. Im September letzten Jahres betrug die Zahl der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide bei deutschen Gerichten 189.340. Das ist einfach nur Wahnsinn.

Bedenkt man, um welche Summen es auf der Seite der Kläger dabei geht, dann handelt es sich mal um dreiundfünfzig Komma Blumenkohl oder hundertzehn Komma Brokkoli. Das heißt, dass die Leute ohne diese Beträge verzweifeln und sich eben nicht wie Menschen mit einem "normalen" Einkommen leisten können, einfach abzuwinken. Wer für diese Geldsummen vor ein Gericht geht, der braucht wohl wirklich sprichwörtlich jeden Euro.

Die Frage also, wie Hartz-IV-Empfänger leben, hat sich hiermit erübrigt. Es ist ein Kampf, der auf dem Amt beginnt, über die Kontozahlungen weitergeht und im öffentlichen Diskurs nur dann Widerhall findet, wenn sich ein Politiker möglichst frech und schamlos äußert.


Weblink:

Die Würde des Menschen ist denunzierbar - www.zeit.de/kultur