"Rettet die Demokratie" – heißt das neu erschienene Buch von Dirk Neubauer. Der Bürgermeister von Augustusburg will es als Streitschrift verstanden wissen. Schließlich hält er eine grundlegende Reform des politischen Systems für nötig, denn die Demokratie ist wenig bürgernah, gewährt zu wenig Mitsprache und ist nicht sonderlich entscheidungsfördernd vor Ort. Die Kommunen müssten mehr direkt entscheiden können. Nicht als Selbstzweck, sondern damit Demokratie erfahrbar werde und Menschen erlebten, dass sie selber Verantwortung trügen, so Neubauer.
Als Beispiel führt der SPD-Politiker den Modellversuch mit geöffneter Gastronomie und Hotels in der sächsischen Kommune an, der am Sonntag erstmal mit der Bundesnotbremse aufgrund rasant gestiegener Inzidenzen endet: "Wir haben wertvolle Daten gesammelt", merkt Neubauer zu dem wissenschaftlich begleiteten Projekt an. Mit Blick auf die Auswertung ist er guter Hoffnung, dass sich belegen lasse, "dass eine solche Öffnung möglich ist". Vor allem verweist er auf den "unglaublichen Aufbruch", den das Projekt gebracht habe, "nicht nur bei denen, die wieder öffnen konnten, sondern bei allen, weil ein Stück Normalität wieder zurückkommt".
»Wir müssen jetzt in die Gesellschaft reinhören, wieviel pauschale Schließung wir noch vertragen und vor allem, wie gut und abgestimmt wir das machen. Da haben wir, glaube ich, Reserven.«
Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg
Neubauer findet, dass in der Diskussion um die Kompetenzen in der Pandemie-Bekämpfung eine Stimme zu wenig gehört wird: "Die kommunale Ebene ist da in den vergangenen zwölf Monaten recht wenig beteiligt gewesen. Es wäre ein Gewinn und würde auch eine Aufwertung bedeuten, ein bisschen einzubeziehen, was wir so zu berichten haben und zwar ernsthafter, als das bisher der Fall ist." Bürgerinnen und Bürger seien durchaus bereit, Einschränkungen hinzunehmen, führt der SPD-Politiker weiter aus. Aber sie müssten sie verstehen können, betont Neubauer und nennt Ausgangsbegrenzungen, Flüge nach Mallorca bzw. den "Nicht-Urlaub im Erzgebirge" als kontraproduktive Beispiele.
Bürger-Verantwortung: "Du bist die Stadt"
Mehr Mitsprache, das bedeutet für Neubauer als OB, "möglichst viele grundsätzliche Entscheidungen zu teilen", größere Maßnahmen würden in Augustusburg vorher öffentlich diskutiert, erklärt er. Nur so spürten Bürgerinnen und Bürger, dass es auch an ihnen ist, Verantwortung zu übernehmen:
»Meine Standardanwort, wenn jemand zu mir kommt und sich beschwert, was die Stadt alles hätte tun müssen, ist erstmal: Du bist die Stadt und ich bin die Stadtverwaltung.«
Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg
Auf Landes- oder Bundesebene sei solch eine Mitwirkung tatsächlich kaum herzustellen, glaubt Neubauer:
»Die Kommune ist die Herzkammer der Demokratie. Hier erfahren Menschen, was Demokratie eigentlich ist: sich einbringen, diskutieren und zu einem Ergebnis kommen, mit dem möglichst viele leben können.«
Dirk Neubauer
Literatur:
»Rettet die Demokratie!: Eine überfällige Streitschrift« von Dirk Neubauer