Demokratie lebt davon, dass die Bürger die Politik verstehen. Einigermaßen jedenfalls. Das gilt für einzelne Gesetze, das gilt für die Verfassung. In welch einer Verfassung leben wir? Die Frage muss leicht zu beantworten sein.
Deutschland ist ein demokratischer Bundesstaat. So weit, so klar. Wenn es darum geht, was das konkret bedeutet, dann wird es komplizierter. Aber die Grundfrage ist leicht beantwortet.
Was aber ist die Europäische Union? Ein Staatenbund? Ein Staatenverbund? Ein Bundesstaat? Einfach nur ein Bund? Oder etwas ganz Eigenes, noch nie Dagewesenes, das man gar nicht auf den Begriff bringen kann? All das ist zu hören, die Meinungen gehen auseinander. Weniger im Volk – das rätselt einfach, weil desorientiert, und hat keine Antwort.
Es hat von der EU wohl in seiner großen Mehrheit überhaupt keinen Begriff. Unsicherheit aber nährt Misstrauen und Ablehnung. Das ist schlimm. Schlimmer ist, dass jene, die dazu berufen wären, Klarheit zu schaffen, sich nicht einigen können und wollen, was die EU ist. Juristen, Politikwissenschaftler, Politiker finden keinen Konsens. Wenn man sich aber nicht einig wird, was das Ganze ist, dann darf man sich nicht wundern, wenn durch das Volk die Frage geistert, was das Ganze eigentlich soll. Ein unguter Zustand.
Die Europäische Union ist schon viel weiter, als viele in Deutschland wahrhaben wollen. 27 Nationalstaaten bilden einen europäischen Bundesstaat. Sie ist ein gemeinsamer Staat, auch wenn das Bundesverfassungsgericht das anders sieht.
Weblink:
Europa ist schon längst ein Bundesstaat - www.tagesspiegel.de
Torpedo-Blog ist ein infomativer Gesellschafts- und Politik-Blog für Aufklärung und gesellschaftlichen Wandel. Dieser Nachrichten-Blog informiert tagesaktuell über das politische Geschehen und Ereignisse aus aller Welt. Der Blog zu Politik, Gesellschaft und Zeitgeschehen schreibt Artikel über Politik und Gesellschaft im Spiegel der Zeit. Dieser Nachrichten-Blog informiert über das politische Geschehen und Ereignisse aus aller Welt, u.a. über Europa, Brexit, Gelbwesten, May, Macron, Frankreich
Mittwoch, 18. Juli 2012
Sonntag, 15. April 2012
Der moderne Mann und die Titanic
Als 1912 die Titanic unterging, da hatte das einen gewissen Stil. Nachdem der Kapitän bemerkt hatte, daß das Schiff nicht zu retten war, befahl er die Rettungsboote klarzumachen, versuchte sodann, möglichst viele Passagiere zu retten, in erster Linie Frauen und Kinder. Er selbst ging mit seinem Schiff unter. Man kann ihm Fehlentscheidungen, aber kein persönliches Fehlverhalten vorwerfen. Auch auf Seiten der Passagiere hielt man sich an die guten Sitten: Zuerst kamen Frauen und Kinder, dann erst die Männer. Jacob Astor etwa, einer der reichsten Männer der Welt, half seiner Frau ins Rettungsboot, und ging dann mit der Titanic unter.
Hundert Jahre später, als 2012 die Costa Concordia unterging, hat das Bild sich gewandelt. Der Kapitän war einer der ersten, die das Schiff verließen und sich an Land in Sicherheit brachten, er war – trotz ausdrücklichen Befehls – nicht dazu zu bewegen, auf das Schiff zurückzukehren oder irgendwelche Maßnahmen zur Rettung der Passagiere vorzunehmen. In der Gerichtsverhandlung fiel er durch absurde Ausreden und Lügen auf, er benahm sich wie ein verzogenes Kind.
Beide Kapitäne haben ihr Schiff – unbeabsichtigt – in eine Katastrophe geführt, dann aber völlig unterschiedlich reagiert: Für Edward Smith, den Kapitän der Titanic, bestand kein Zweifel, was zu tun war, in erster Linie hatte er die Passagiere zu retten. Auch für Francesco Schettino, den Kapitän der Costa Concordia, bestand kein Zweifel, was zu tun war, in erster Linie hatte er sich selbst zu retten. Er war offenbar ganz ehrlich entrüstet, als man ihm in der Gerichtsverhandlung vorhielt, er habe seine Pflichten verletzt.
Hier hat sich etwas geändert, nämlich die Auffassung dessen, was ein Mann zu tun und zu lassen hat. In derartigen Krisensituationen denkt man nicht lange nach, man handelt so, wie man das eben macht, wie man das eben gelernt hat, wie die Gesellschaft das einem eben vermittelt hat. Dem Kapitän Smith hatte die Gesellschaft beigebracht, daß ein Kapitän zuerst an seine Passagiere denkt, dem Kapitän Schettino, daß er zuerst an sich selbst denkt. Beide waren bzw. sind das Produkt ihrer Erziehung, ihrer Gesellschaft.
Die moderne westliche Gesellschaft will keine Männer im emphatischen Sinne mehr, keine Personen männlichen Geschlechts, die spezifisch maskuline Einstellungen verraten. Das Kino ist hier ein guter Indikator. Schauspieler wie John Wayne, Clint Eastwood, Robert Mitchum wird man heute vergebens suchen, nicht, weil es solche Typen nicht mehr gäbe, sondern weil sie keine Rollen mehr kriegen. Das hat man in Hollywood natürlich gemerkt, und in der Figur des Captain America dargestellt. Der ist ein Superheld aus den 50igern, der dann – dank einer teuflischen Machination seiner Gegner – in Tiefschlaf fiel (sozusagen ein männliches Dornröschen), aus dem er erst in jüngster Zeit erwacht ist (allerdings nicht wachgeküßt ). In den Avengerfilmen fremdelt er immer mit den modernen Zeiten. Die Frauen ziehen sich unanständig an, die Jugend ist schlecht erzogen, überall werden Pornos gezeigt, … Ach, wo ist sie geblieben, die gute alte Zeit, „als die Luft noch sauber, und der Sex noch schmutzig war“?
Man könnte dies als grämliches Jammern eines Auslaufmodells abtun. Das Problem ist nur: Manchmal braucht man auch heute keinen Schettino, sondern einen Smith. Und wenn ich die Zeichen der Zeit richtig deute, werden wir ihn bald noch nötiger haben.
Hundert Jahre später, als 2012 die Costa Concordia unterging, hat das Bild sich gewandelt. Der Kapitän war einer der ersten, die das Schiff verließen und sich an Land in Sicherheit brachten, er war – trotz ausdrücklichen Befehls – nicht dazu zu bewegen, auf das Schiff zurückzukehren oder irgendwelche Maßnahmen zur Rettung der Passagiere vorzunehmen. In der Gerichtsverhandlung fiel er durch absurde Ausreden und Lügen auf, er benahm sich wie ein verzogenes Kind.
Beide Kapitäne haben ihr Schiff – unbeabsichtigt – in eine Katastrophe geführt, dann aber völlig unterschiedlich reagiert: Für Edward Smith, den Kapitän der Titanic, bestand kein Zweifel, was zu tun war, in erster Linie hatte er die Passagiere zu retten. Auch für Francesco Schettino, den Kapitän der Costa Concordia, bestand kein Zweifel, was zu tun war, in erster Linie hatte er sich selbst zu retten. Er war offenbar ganz ehrlich entrüstet, als man ihm in der Gerichtsverhandlung vorhielt, er habe seine Pflichten verletzt.
Hier hat sich etwas geändert, nämlich die Auffassung dessen, was ein Mann zu tun und zu lassen hat. In derartigen Krisensituationen denkt man nicht lange nach, man handelt so, wie man das eben macht, wie man das eben gelernt hat, wie die Gesellschaft das einem eben vermittelt hat. Dem Kapitän Smith hatte die Gesellschaft beigebracht, daß ein Kapitän zuerst an seine Passagiere denkt, dem Kapitän Schettino, daß er zuerst an sich selbst denkt. Beide waren bzw. sind das Produkt ihrer Erziehung, ihrer Gesellschaft.
Die moderne westliche Gesellschaft will keine Männer im emphatischen Sinne mehr, keine Personen männlichen Geschlechts, die spezifisch maskuline Einstellungen verraten. Das Kino ist hier ein guter Indikator. Schauspieler wie John Wayne, Clint Eastwood, Robert Mitchum wird man heute vergebens suchen, nicht, weil es solche Typen nicht mehr gäbe, sondern weil sie keine Rollen mehr kriegen. Das hat man in Hollywood natürlich gemerkt, und in der Figur des Captain America dargestellt. Der ist ein Superheld aus den 50igern, der dann – dank einer teuflischen Machination seiner Gegner – in Tiefschlaf fiel (sozusagen ein männliches Dornröschen), aus dem er erst in jüngster Zeit erwacht ist (allerdings nicht wachgeküßt ). In den Avengerfilmen fremdelt er immer mit den modernen Zeiten. Die Frauen ziehen sich unanständig an, die Jugend ist schlecht erzogen, überall werden Pornos gezeigt, … Ach, wo ist sie geblieben, die gute alte Zeit, „als die Luft noch sauber, und der Sex noch schmutzig war“?
Man könnte dies als grämliches Jammern eines Auslaufmodells abtun. Das Problem ist nur: Manchmal braucht man auch heute keinen Schettino, sondern einen Smith. Und wenn ich die Zeichen der Zeit richtig deute, werden wir ihn bald noch nötiger haben.
Samstag, 4. Februar 2012
»Dickens’sche Verhältnisse« trüben Feier
Vor 200 Jahren wurde Charles Dickens geboren, eigentlich könnte ganz London das Jubiläum feiern – doch den wenigsten ist nach Feiern zumute. Weil der Kapitalismus immer mehr Menschen Angst macht. Und keiner hat besser beschrieben als Dickens, wie sie aussieht, die Armut, die heute so vielen droht.
Dickens hat als Chronist die sozialen Missstände deutlicher aufgezeigt als jeder Politiker. Dickens kritisierte die Kinderarbeit, die fehlenden Bildungsmöglichkeiten für die Armen, die Zustände im Gefängnis, die Korruption im Kapitalismus, die Geldgier der Banken, die Ungleichheit vor Gericht, die Inkompetenz der Regierenden, den Sensationsjournalismus und – nach seinen Lesereisen in den USA – auch die Demokratie, für die er die Menschheit nicht reif genug hielt.
London feiert seinen 200. Geburtstag – und fürchtet doch seinen Namen: »Dickens’sche Verhältnisse« sind ein geflügeltes Worte überall auf der Welt, ein Synonym für bittere Armut, für eine Gesellschaft mit großer Kluft zwischen Arm und Reich, für Manchesterkapitalismus. Nun geht die Furcht um vor einer Rückkehr der »Dickens’sche Verhältnisse«.
»Wie bei Dickens« kann auch bedeuten: aus dem Viktorianischen Zeitalter stammend, altmodisch, antiquiert, nostalgisch; man kann das Wort sogar im Sinn von sentimental gebrauchen, aber meist bedeutet es: hässlich. Der Ausdruck »Dickens’sche Verhältnisse« wird so oft benutzt wie selten in den 142 Jahren seit dem Tod des Schriftstellers. Eine ganze Reihe von Leuten warnt inzwischen vor der Rückkehr dieser Verhältnisse in London. Dickens Sozialkritik ist heute wieder aktuell geworden.
Seine zahleichen Romane und Erzählungen zeichneten ein realistisches Bild der Erfahrungswelt seiner Zeitgenossen, insbesondere der Mittel- und Unterschicht. Nachts schnappte er die vielen Dialekte seiner Romanfiguren auf, dachte sich die Handlung aus, merkte sich die Straßenzüge, folgte seinen Figuren in die ärmsten Stadtviertel und die verrufensten Lokale. Dann verdichtete er seine Erlebnisse und schuf die typischen »Dickens’schen Verhältnisse«.
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