Mit dem bevorstehenden Austritt der Briten ist die EU nicht mehr das, was sie vorher einmal war. Europa wird in der globalen Politik an Gewicht verlieren. Die Staatengemeinschaft verliert nicht einfach ein Mitglied, sondern bekommt die Rechnung präsentiert für die Fehlentwicklungen und Krisen, aus denen keine oder nur ungenügende Konsequenzen gezogen wurden. Und der EU-Präsident Tusk prognostiziert vermutlich zurecht: "Die Briten, die werden es schaffen, ohne große Anstrengung die anderen 27 Mitgliedsstaaten auseinanderzudividieren".
Die Union hat in den vergangenen Jahren in raschem Tempo neue Mitglieder aufgenommen, sich aber zu wenig um die eigenen gesellschaftlichen Strukturen gekümmert. Auch in der Eurokrise haben sich die rigorose Austeritätspolitik und das Fehlen von vorausschauender Strukturpolitik als gravierende Defizite erwiesen. Die mühsam durch die EZB-Politik gekaufte Zeit wurde nicht genutzt, um Reformprozesse auf den Weg zu bringen. Auch die (Nicht-)Bewältigung der Fluchtbewegung und die beschlossene Verteilung der Flüchtlinge zeigt letztlich ein dramatisches Versagen der europäischen Politik.
Die EU ist ein Eliten-, aber kein emanzipatorisches Projekt der BürgerInnen. Die EU-Institutionen werden als Bürokratiemonster und als repressive Finanzkontrolleure wahrgenommen, wie die Berichte über das griechische Drama oder die italienische Bankenkrise zeigen. Die real existierenden positiven Aspekte wie die Unterstützung aus den europäischen Kohäsions- und Regionalfonds werden von den Medien und großen Teilen der Bevölkerung kaum wahrgenommen.