Fukuyama hat die heutige Verlegenheit in seinem bekanntesten Buch klar diagnostiziert. Er sagt dort, wir können uns nicht mehr vorstellen, in einer Ordnung der Dinge zu leben, die wesentlich anders wäre als die unsere und zugleich besser. Er hat absolut recht behalten. Eine andere Welt ist möglich, nämlich eine schlechtere, und die haben wir bekommen. Nach dem Ende der progressiven Geschichte ist das Schlechtere das Wahrscheinlichere.
Der politische Umbruch in Osteuropa und das Scheitern des Kommunismus als tragfähige politische Staatsform sind Ausgangspunkt von Fukuyamas Auseinandersetzung mit der Frage:
Ist die Geschichte eine unendliche Wiederholung von Aufstieg und Verfall,
oder bewegt sich die Geschichte auf ein Ziel, ein Ende zu?
Francis Fukuyama orientierte sich bei dieser Frage an
Hegels Geschichtsphilosophie und vertritt die
These vom "Ende der Geschichte". Hegel sah die Weltgeschichte als Fortschritt im
Bewußtsein der Freiheit.
"Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit."
Hegels Geschichtsphilosophie führt tatsächlich zu einem Ende im Sinne einer letzten Synthese, bei der es keine weltpolitischen Widersprüche mehr gibt.
|
"I've always had a Marxist understanding of history: democracy is a result of a broad modernization process that happens in every country. Neocons think the use of political power can force the pace of change, but ultimately it depends on societies doing it themselves."
Für Francis Fukuyama bedeutet die weltweite Durchsetzung der liberalen Demokratie den Endpunkt der Geschichte. Das liberal-kapitalistische Prinzip, das 1989 den Sieg für sich entschieden hat, hat sich zwar konkurrenzlos weltweit ausgebreitet hat, ist dabei aber immer anfälliger und schwächer geworden.
Diese These war in 90er Jahren weit verbreitet und vorherrschende Meinung, ehe sie von Samuel Huntingtons These vom
"Kampf der Kulturen" ("Clash of Civilizations") - insbes. zwischen dem Islam und der westlichen Welt - abgelöst wurde.
War dieser Paradigmenwechsel absehbar oder "brauchte" es die Ereignisse vom 11. September, um die Weltpolitik und den Lauf der Geschichte neu zu bewerten und einzuordnen?
»Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.«
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831)
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 1837
Hegel geht davon aus, dass die Philosophie im absoluten Wissen, wie es dann in seiner inneren Struktur in der Wissenschaft der Logik systematisch entfaltet wird, prinzipiell vollendet sei und insofern die Zeit „getilgt“ habe, wie es in der Phänomenologie heißt. Und auch die Weltgeschichte ist damit, nach Hegels Auffassung, an ein Ende gekommen, denn diese ist ihm Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit, und im absoluten Wissen der Philosophie ist sich der Geist selbst als Freiheit durchsichtig geworden.
»Hegels Konzept der Geschichte der Philosophie, des Weges des Geistes zur Erkenntnis seiner selbst in der Zeit, ist demnach kein Fortschrittsprogramm. Die Historie ist für ihn keine aufsteigende Linie des Fortschritts, an dessen Gipfelpunkt er selber steht. …
Der wahre Fortschritt erscheint also als Rückkehr zum Ursprung, die alten Einsichten erweisen sich als universal.«
Wie ist Eure Meinung?
Ist der Lauf der Geschichte nach dem 11. September 2001 tatsächlich durch einen "Kampf der Kulturen" gekennzeichnet?
|
|
»Ende der Geschichte«
von Francis Fukuyama,
Kindler,
4. Auflage, 1992,
512 Seiten, 22,90 EUR
ISBN-13: 978 |
"In general, Americans are not very good at nation-building and not very good colonialists."