Mittwoch, 29. November 2017

Frankreich steht vor einer marktkonformen Rosskur

Macron

Macron wird als Präsident von Frankreich das Land politisch verändern - womöglich revolutionieren. Wird Macron tatsächlich ausscheren aus den traditionellen Mustern der Politik und Einflußnahme oder gar eine Politik für das Volk machen? Es stellen sich zwei Fragen: Welchen Einfluß auf die Politik wird Macron geltend machen und welchen Einfluß werden die Eliten auf Macron nehmen?

Seine Analyse ist messerscharf: Frankreich ist völlig überreguliert, der Staatssektor beträgt unglaubliche 56%, jeder Änderungsversuch der letzten Jahre wird durch Streiks derer blockiert, die Privilegien zu verlieren haben. Deshalb stagniert die Wirtschaft und bleibt die Arbeitslosigkeit hoch. Es hat zu viele Verwaltungsebenen (Gemeinde, Departement, Region, Bund), die viel zu teuer und personalintensiv sind.

Die Stärke der deutschen Wirtschaft soll uns anstacheln, nicht aber in Schrecken versetzen.

Georges Pompidou


Macrons marktkonforme Rosskur besteht in einer Reform und Liberalisierung der Wirtschaft. Macron stellt das Land vom Kopf auf die Füße. Alle Betriebe dürfen nun an der Basis individuelle Betriebsvereinbarungen zwischen Unternehmer und Angestellten treffen. 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst werden eingespart, indem die Pensionierungen nicht nachbesetzt werden. Jede Gemeinde darf mit eigenen Lösungen experimentieren, die Vorgaben aus Paris werden minimiert. Ab 2019 soll es statt 38 nur mehr eine Pensionsbemessung geben, alle Sonderprivilegien fallen weg. Die Kapitalertragssteuer soll von 62 auf 30% fallen, damit die Unternehmer wieder mehr investieren.

Nicht Macrons geldgieriger Charakter, sondern seine marktwirtschaftskonforme Denkungsart ist der Grund dafür, dass des Präsidenten Politik den Kapitalinteressen dient. Um Frankreichs marodes Marktwirtschaftssystem so zu sanieren, dass französische Waren auf den Märkten dieser Welt konkurrenzfähig sind, will der wirtschaftsnahe Macron eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik exekutieren, welche die Lohnstückkosten der produzierten Waren erheblich verringert.

Zu diesem unternehmerfreundlichen Zweck soll der Arbeitsmarkt derart flexibilisiert werden, dass die französischen Lohnabhängigen für weniger Geld mehr arbeiten müssen. Gestört werden könnte die präsidiale Rosskur allerdings durch die kommunistische Gewerkschaft CGT, indem sie die Lohnabhängigen dergestalt organisiert, dass jene ihr Interesse an einem guten Leben gegen die systemischen Imperative der marktwirtschaftlichen Produktionsweise - und damit gegen ihren präsidialen Vollstrecker - geltend machen.

Literatur:

Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
von Ulrike Guérot und‎ Elisabeth Donat


Blog-Artikel:

Parlamentswahl in Frankreich - Macron startet durch

Macron wird neuer Präsident in Frankreich

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben



Samstag, 25. November 2017

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander



Per Molander stammt aus einem Land mit einem Wohlfahrtsstaat, in dem das Vermögen durch Umverteilung von oben nach unten verteilt wird. Dies bedeutet Besteuerung des Reichtums und Bekämpfung der Armut. Die Ungleichheit hat strukturelle Ursachen und eine Anatomie.

Per Molander ist ein schwedischer Politik-Berater und -Analyst und Autor, der zu Verteilungsfragen forscht und publiziert. Analytisch und realpolitisch befasst sich Molander mit konkreten Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, wie, weshalb in keiner Gesellschaft absolute Gleichheit herrscht? Warum in den meisten OECD-Ländern die Einkommensunterschiede wachsen? Wie lässt sich mehr gesellschaftliche Gleichheit herstellen? Molander verfasste in Schweden mehrere Bücher über politische Fragen für breiteres Publikum.

Angeregt durch die Theorie des Nash-Gleichgewichts, auf die er bei seinem Studium stiess, befasste er sich mit dem Phänomen der Ungleichheit in der Gesellschaft. Er sieht darin eine Begründung dafür, dass häufig in Gesellschaften "Stärkere stärker, Schwächere schwächer, Reiche reicher, Arme ärmer" (Susanne Mauthner-Weber) werden.

Der schwedische Mathematiker Per Molander, ein Experte für Verteilungsfragen, analysiert in seinem Buch »Die Anatomie der Ungleichheit. Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« die im Untertitel genannten Fragen. Auch wenn seine Analyse etwas sprunghaft und unstrukturiert wirkt, wird doch anschaulich deutlich, dass die Entwicklung zwar besondere Gründe hat, sie aber durch politische Entscheidungsprozesse sehr wohl veränderbar ist.

»Die Ungleichheit ist die drängendste Frage unserer Zeit.«

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander geht der Frage nach, ob es eine Anatomie der Ungleichheit gibt. Für Per Molander gibt es eine Anatomie der Ungleichheit. Ungleiche Verhältnisse entwickeln sich in jeder Gesellschaft, unabhängig von den Fähigkeiten und dem Arbeitswillen der Menschen, sagt der Mathematiker Per Molander. Ungleichheit ist natürlich – aber sie ist kein Naturgesetz und kann mit den richtigen politischen Maßnahmen überwunden werden.

Der glühende Sozialdemokrat behauptet darin, Ungleichheit gehöre zum Menschsein. Wissenschaftlich fundiert und mit vielen anschaulichen Beispielen eröffnet Molander eine ganz neue Perspektive auf eines der weltweit größten Probleme und zeigt auch Lösungswege. Denn handeln wir nicht, geht die Schere zwischen Arm und Reich zwangsläufig immer weiter auseinander, was schließlich zum Verlust jeglichen Vertrauens innerhalb der Gesellschaft führt – zum Schaden aller.

Das reichste Prozent besitzt zurzeit etwa die Hälfte und das reichste Zehntel der Gesellschaft zwischen 80 und 90% des gesamten Vermögens, Tendenz stark steigend. Wir bewegen uns immer mehr in Richtung der extremen Vermögens- und Einkommensungleichheit der Zeit bis zum 19. Jahrhundert - dem Feudalismus.

Gegen den Widerstand der Begüterten von damals konnte keine fairere Verteilung durchgesetzt werden, dazu bedurfte es zweier Weltkriege und einer Weltwirtschaftskrise, in denen Vermögen vernichtet bzw. vom Staat für die Kriegsführung eingezogen wurde. Die Wirren hinterließen nach 1945 in Europa tabula rasa: nur Arme, kaum Ungleichheit. Die vergleichsweise hohen Steuern blieben und ließen somit die Implementierung eines Sozialstaates zu, womit sich mit dem wirtschaftlichen Aufholprozess der Nachkriegszeit ("Wirtschaftswunder") eine relativ wohlhabende Mittelschicht entwickeln konnte --> eine historische Einmaligkeit, mit der es aber bald zu Ende sein könnte. Seit den 80er-Jahren wurde v.a. in den USA und UK die Besteuerung von hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften schrittweise reduziert.

Folgerichtig explodiert seitdem die Vermögenskonzentration wieder und droht schlimmere Ausmaße anzunehmen als vor dem Ersten Weltkrieg. Sie droht durchaus wieder feudale Züge anzunehmen.

Auch in Kontinentaleuropa gibt es diese Tendenzen, die EU-Staaten unterbieten sich in einem irrwitzigen Steuerwettbewerb geradezu um die Gunst der Vermögen und Megakonzerne, am Ende auf Kosten der 99%. Das führt gezwungenermaßen zum Abbau des Sozialstaates, zu einer Erosion der Mittelschicht und dazu, dass wenige Prozent praktisch alles besitzen und der Rest quasi nichts. Eine Finanzoligarchie ist im Entstehen, man erkennt ja bereits die Anfänge. Wie lässt sich sonst erklären, dass Brausehersteller oder Ölscheichs F1-Teams, Airlines, Fußballmannschaften und Ländereien besitzen, die Politik vor sich hertreiben und für einen brasilianischen Ballkünstler 222 Mio. € ausgeben können? Das ist 7.400mal das europäische Durchschnittsgehalt! Da ist irgendetwas aus den Fugen geraten.


Literatur:


Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können
von Per Molander


Weblinks:

Per Molander: "Die Anatomie der Ungleichheit" - So entsteht Armut ...

"Die Anatomie der Ungleichheit" - 3Sat

Dienstag, 21. November 2017

Der neue Klimaretter kommt aus Paris

Macron

Der neue Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel heißt Emmanuel Macron. Das Klima ist durch Merkel nicht mehr zu retten, weil Merkel stets vage ist und nichts für den Klimaschutz tut.

Der neue Retter sprach direkt nach der Kanzlerin. Ein Weiter-so in der Klimapolitik würde bedeuten, dass „viele Völker, die hier vertreten sind, bis 2100 verschwinden würden. Dazu sind wir nicht bereit“, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und forderte, „klare Zeichen“ zu setzen.

Nur so könnten die in Paris formulierten Klimaziele überhaupt noch erreicht werden. Dass es die französische Regierung damit ernst meint, hat sie bereits bewiesen: Bis 2021 sollen alle Kohlekraftwerke im Land stillgelegt werden. Das Aus des Verbrennungsmotors wird 2040 besiegelt sein. Auch müsse Europa das von den USA gerissene Loch bei der Finanzierung der Klimaforschung füllen.

Die Rede der deutschen Regierungschefin war international wie national mit Spannung erwartet worden: Zum einen gilt Deutschland in vielen Ländern als Klima-Vorreiter (obwohl es seine selbstgesteckten Klima-Ziele aller Voraussicht nach krachend verfehlen wird), zum anderen ist gerade die künftige Klimaschutzpolitik einer der Knackpunkte für eine mögliche Jamaika-Koalition.

Doch statt die in Bonn versammelte Weltgemeinschaft aufzurütteln und sich mit klaren Aussagen zum Klimaschutz zu bekennen, kamen von Merkel nur Allgemeinplätze. Der Klimawandel sei für die Welt „eine Schicksalsfrage“. Es gehe beim Klimaschutz um „Vertrauen und Verlässlichkeit“. Die Industrienationen trügen eine „historische Verantwortung“. Konkreter wurde die Kanzlerin nicht. Eine klare Aussage zum Ausstieg aus der Kohle? Fehlanzeige!

Für den 12. Dezember, den Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Abkommens vor zwei Jahren, hat Macron zu einer weiteren Klimakonferenz in die französische Hauptstadt eingeladen. Dort soll es um die Finanzierung von Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an klimatisch bedingte Veränderungen gehen. Der wahre Klima-König sitzt künftig in Paris, nicht in Berlin.

Sonntag, 19. November 2017

Angela Merkel auf dem Weg nach Jamaika


Die straffen Segel setzen und mit schwarz-gelb-grüner Takelage gehts los nach Jamaika. Doch die Schiffsreise mit den vielen Leichtmatrosen an Bord ist beschwerlich. Das voll beladene Narrenschiff kommt kaum voran und die Kapitänin an Deck wirkt eigenartig müde.Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.

"Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles." 

Friedrich Hölderlin

Wenn die Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Berlin abgeschlossen sind, wird klar sein, wie Deutschland in Zukunft regiert wird. Aber auch, welche Richtung die Kanzlerin mit der Union eingeschlagen hat. Ihre Biografie zeigt: Sie kann sich sowohl einen grünen als auch einen liberalen Anstrich geben.

Unter dem Druck der Stimmenverluste bei der Bundestagswahl brechen innere Verwerfungen auf – und Angela Merkel versucht, ihrer Partei durch die Rückbesinnung auf die eigenen Ursprünge Orientierung zu geben.

"Konservativ, christlich-sozial und liberal.
Diese drei Wurzeln zusammenzuhalten, das ermöglicht die Volkspartei."


Weblink:

Angela Merkel auf dem Weg nach Jamaika - www.deutschlandfunk.de

Samstag, 18. November 2017

Der Klimagipfel in Bonn ist beendet


Der Klimagipfel in Bonn ist beendet. Die Mammut-Beratungen brachten ein Abschlussdokument hervor, das Hunderte Seiten füllt. Es wurde ein Katalog verabschiedet, wie die in Paris beschlossenen Klimasschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Atmosphärisch lief es gut, der Streit dürfte 2018 in Katowice ausgetragen werden.

Die 23. Klimakonferenz der UN - im Klimasprech "COP23" - ist Geschichte. Da war wenig vom üblichen Streit zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die positiven Signale von Bonn: Die Kohlezeit geht zu Ende. Egal, wie schwierig die Diskussion in Berlin gerade ist. Mehr als 20 Staaten haben den Kohleausstieg bei der Klimakonferenz aus der Exotenecke rausgeholt.

Es war alles andere als ein Durchbruch - trotzdem gab die Klimakonferenz in Bonn Anlass zur Hoffnung. Ja, es geht voran, auch ohne die US-Regierung. Deutschland spielt in dem Prozess aber nur noch eine Nebenrolle: Die Führung haben andere übernommen. Die positiven Signale von Bonn: Die Kohlezeit geht zu Ende. Egal, wie schwierig die Diskussion in Berlin gerade ist. Mehr als 20 Staaten haben den Kohleausstieg bei der Klimakonferenz aus der Exotenecke rausgeholt.

Aktion am Rande des Klimagipfels in Bonn

Das wird zum Mainstream. Weil Kohlekraftwerke krank machen, weil sie der Klimakiller Nummer eins sind und vor allem: weil das Geld der Welt nicht mehr an Kohle glaubt. Die Investoren wenden sich ab. Wenn Siemens jetzt Leute entlassen muss, weil die weltweite Nachfrage nach Turbinen für Großkraftwerke zurückgeht, dann zeigt das: Es tut sich was - nicht nur bei Konferenzen, sondern in der realen Welt. Die setzt auf erneuerbare Energien.

Es tut sich etwas in Sachen Klimaschutz: Weil Kohlekraftwerke umweltschädlich sind und krank machen, weil sie der Klimakiller Nummer eins sind und vor allem: weil das Geld der Welt nicht mehr an Kohle glaubt. Die Investoren wenden sich ab. Wenn Siemens jetzt Leute entlassen muss, weil die weltweite Nachfrage nach Turbinen für Großkraftwerke zurückgeht, dann zeigt das: Es tut sich was - nicht nur bei Konferenzen, sondern in der realen Welt. Die setzt auf erneuerbare Energien.

Das andere Signal von Bonn: Die USA sind weiter - irgendwie - dabei. "We are still in" haben viele US-Bundesstaaten, Firmen und Städte hier mit einem ziemlich lauten und großen Auftritt klar gemacht. Wir machen weiter Klimaschutz und scheren uns nicht um Trump - mit "Stars" wie Arnold Schwarzenegger und dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Bloomberg. Auch von den anderen Nationen hat sich keiner mitreißen lassen vom Ausstieg Washingtons aus dem internationalen Klimaschutz. Donald allein zu Hause… eine klare Botschaft.

Blog-Artikel:

Mit Klimaschutz wenig am Hut

Klimakonferenz in Bonn


Literatur [ >> ] :

Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit von Ulrich Beck

Mittwoch, 15. November 2017

100 Jahre Oktoberrevolution und ihre Bedeutung für die Gegenwart


Vor 100 Jahren war Sankt Petersburg Schauplatz der russischen Oktoberrevolution. Die Stadt begeht das Jubiläum aber nicht. Sie vermeidet Sowjet-Nostalgie und setzt stattdessen auf das Erbe der Zarenzeit. Die Oktoberrevolution vom 25. Oktober jul./ 7. November 1917 greg. führte zu der gewaltsamen Machtübernahme durch die kommunistischen Bolschewiki unter Führung Wladimir Iljitsch Lenins in Russland.

Die Oktoberrevolution von 1917 öffnete das Fenster in eine neue Zeit und war der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Die Revolution wird im Jahr 2017 unterschiedlich bewertet. Die Leitfrage nach der Bedeutung der Oktoberrevolution für die Gegenwart lautet: "Welche Bedeutung hat die Oktoberrevolution für Russland und die Welt heute?" Eine Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Revolution von 1917 ging dieser Frage auf den Grund. Und"der Liedermacher Wolf Biermann hat für diesen Anlass sehr fragwürdige Thesen parat.

Die russische Oktoberrevolution von 1917 gilt als eines der entscheidendsten Ereignisse der jüngeren Weltgeschichte: Nachdem das Zarenregime bereits durch die bürgerlich-liberale Februarrevolution gestürzt wurde, übernahmen in der Oktoberrevolution die kommunistischen Bolschewiki die Macht. Die Folge war ein verheerender Bürgerkrieg zwischen „Roten“ und „Weißen“, der erst 1922 endete. Die siegreichen Bolschewiki gründeten die Sowjetunion, die als Supermacht und Kernstaat des Realsozialismus bis 1991 die Weltpolitik prägen sollte.

Ideologisch gesehen markiert die russische Oktoberrevolution den Übergang vom Marxismus zum Leninismus.


Der Lyriker und Schriftsteller Wolf Biermann, dessen Ausbürgerung 1976 aus der DDR wegen staatskritischer Äußerungen heftige Künstlerproteste auslöste, hat seine ganz eigenen Thesen zu verkünden: So sei die Lage in Russland etwa noch gegen Ende der Zarenzeit eigentlich nicht schlechter gewesen als in – Schweden. Die implizierte Botschaft: Das revolutionäre Geschehen sei eigentlich ohne Anlass gewesen. Das provoziert Gelächter, aber auch Kopfschütteln im Publikum.

Weniger zum Lachen: Erst bezeichnet Biermann nicht nur den bolschewistischen Kommunismus, sondern auch heutige sozialistische Bewegungen als Suche nach der „Endlösung der sozialen Frage“ – die Anlehnung an NS-Rhetorik zum Völkermord an den europäischen Juden gibt er freimütig zu. Und weiter: „Mir der Revolution begann das Unglück“, ohne die Oktoberrevolution hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben, behauptet Biermann.

Da scheint für kurze Zeit der Geist von Ernst Nolte über der Versammlung im Museumshof zu schweben: Der bekannte Historiker hatte 1986 mit Thesen darüber, der Holocaust im Dritten Reich sei eigentlich nur eine Reaktion auf den Bolschewismus und seine Folgen gewesen, den berühmt-berüchtigten Historikerstreit ausgelöst. Die revisionistische Position Noltes und seiner Mitstreiter gilt heute weitgehend als widerlegt.

Weblinks:

Sankt Petersburg 100 Jahre nach der russischen Revolution - www.welt.de/reise

100 Jahre Oktoberrevolution: Zwischen Verdrängung und Erinnerung - www.vorwaerts.de



Montag, 13. November 2017

Demonstranten in Barcelona fordern die Freilassung inhaftierter Politiker

Demonstranten in Barcelona fordern die Freilassung inhaftierter Politiker

"Freiheit für die politischen Gefangenen" - das haben Hunderttausende Demonstranten in Barcelona gefordert. Acht Regionalpolitiker sitzen in Untersuchungshaft. Zum ersten Mal seit Beginn der Krise kommt nun Spaniens Ministerpräsident Rajoy nach Katalonien.

In den Augen der Menschen, welche demonstrieren, sind die eingekerkerten politische Gefangene, die der Solidarität bedürfen. Bleiben sie in Haft, werden sie wohl zu Helden verklärt werden. Sterben sie in der Haft - zu Märtyrern. Es wäre gut möglich, das nun in Katalonien ein neues Nordirland entsteht, geboren aus dem Unabhängigkeitswillen vieler Katalanen und der für konservative typischen geistigen Beschränktheit der herrschenden in Madrid.

Die spanische Zentralregierung setzt nun in der heillos verfahrenen Situation voll auf die juristische Keule. Sämtliche Minister in Haft, die Vorstände der Vereine Omium Cultural und ANC und jetzt auch noch Forcadell. Es hat doch sehr den Anschein, dass hier ein Exempel statuiert werden soll, es solle doch bloß niemand in Zukunft auf dumme Gedanken kommen.

Auch wenn noch tausendfach behauptet wird, die Zentralregierung habe die Separatisten als politische Gefangene weggesperrt, wird es doch nicht wahr. Die Regierung hat §155 angewandt, die Justiz hat die Anklagen wegen Verfassungsbruch und Veruntreuung von Geldern vorbereitet und Haftbefehle ausgestellt. Es geht hier um Rechts- und Gesetzesbruch, nicht um eine abweichende Meinung und die spanische Justiz ist unabhängig.

Carles Puigdemont

Im Übrigen scheinen die Rädelsführer schon zurück zu rudern, um der U-Haft zu entgehen. So wichtig scheint Ihnen die Unabhängigkeit dann doch nicht zu sein. Erst zündeln und dann von "symbolischen Akt" sprechen, das zeugt ja von einem ganz aufrechten Charakter.

All das soll anscheinend davon ablenken, dass der Konflikt im wesentlichen politischer Natur ist. Es ist zwar übertieben zu sagen, dass Spanien Katalonien abzockt, aber der Finanzausgleichsmechanismus zwischen den Regionen ist vollkommen intransparent und willkürlich. Wichtige Infrastrukturprojekte wie die Schnellbahntrasse an der Mittelmehrküste werden seit Jahrzehnten verschleppt.

Weblink:

Großdemo für Freilassung von Inhaftierten in Barcelona

Samstag, 11. November 2017

"Paradise Papers"- Daten-Leak enthüllt Steuertricks der Reichen


Eine gemeinsame Recherche internationaler Journalistinnen und Journalisten hat die Offshore-Geschäfte von Unternehmen, Politikern und Reichen aufgedeckt. Fast 400 Reporter aus 67 Ländern haben mehr als ein Jahr lang einen riesigen Datensatz ausgewertet, insgesamt 13,4 Millionen Dokumente.

Die Daten zeigen, auf welche Weise Kriminelle, Spitzensportler, Superreiche und Musiker Steuern vermeiden, multinationale Konzerne Gewinne in Steueroasen verschieben und wie Dutzende Politiker Geschäfte mit zum Teil dubiosen Partnern abwickeln. Die Daten stammen zum großen Teil von der Anwaltskanzlei Appleby und betreffen unter anderem Geschäfte auf Bermuda, der Isle of Man und den britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey.

Die "Paradise Papers" zeigen außerdem, wie eine Kanzlei und andere Beraterfirmen multinationalen Konzernen dabei helfen, ihren Steuersatz zu drücken. In den Unterlagen tauchen Hinweise auf die zum Teil verborgenen Firmenstrukturen von Apple, Nike, Facebook und anderen Großunternehmen auf. So suchte die Computerfirma Apple laut einer Email aus dem Jahr 2014, einen Geschäftssitz in einem Land, in dem möglichst niedrige Steuern anfallen. Apple war zuvor wegen seiner Steuerpraxis in Irland unter Druck geraten. Apple erklärte dazu, man halte sich an alle Gesetze. Die Unterlagen enthüllen außerdem, dass staatlich kontrollierte Unternehmen aus Russland im großen Stil in Twitter und Facebook investiert hatten.


Die "Paradise Papers" sind ein weiteres Beispiel für die Erosion der Demokratie. Es gibt einige, wenige skrupellose Superreiche, die mit Hilfe dubioser Kanzleien und Beratungsfirmen ihre Ersparnisse in sogenannten Steueroasen verstecken. Dabei werden „Schlupflöcher“ genutzt und Gesetze clever „umgangen“. Nun sei es an der Politik, diese Schlupflöcher zu schließen und Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern. Jakob Augstein beschwert sich darüber, dass die Gesetze „für die Reichen“ gemacht wurden. Doch das ist sogar eine Verharmlosung. Die Gesetze werden nicht für, sondern von den Reichen gemacht. Die internationalen Steuergesetze sind ein schönes Beispiel dafür.


Weblinks:

"Paradise Papers": Daten-Leak enthüllt Steuertricks der Reichen - www.tagesschau.de

Die Paradise Papers sind ein weiteres Beispiel für die Erosion der Demokratie - www.nachdenkseiten.de

Mit Klimaschutz wenig am Hut

Eröffnung der Klimakonferenz in Bonn

Deutschland hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und hinkt bei bis 2030 den vereinbarten Klimaschutz-Zielen hinterher. Das sich das Land als Vorreiter in Sachen Klimaschutz präsentiert, ist eine Farce.

Beim Klimaschutz wird mehr und mehr endlich deutlich, wie wenig die angebliche Klimaschutz-Kanzlerin in Wirklichkeit damit am Hut hat. Wäre ihr das Thema im mindesten wichtig, könnte sie jederzeit ein Machtwort sprechen, und es - wie so gerne - für alternativlos erklären, - und ausnahmsweise wäre die Wortwahl hier zutreffend.

Klimaschutz als bloßes Lippenbekentnnis - entgegen den vollmundigen Absichtserklärungen passiert nichts. Und immer wieder Halbherzigkeit, wie sie auch hier wieder zur Schau gestellt wird, dort wo Entschlossenheit gefragt wäre: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass.

Immer wenn wirtschaftliche Interessen dem Klimaschutz entgegenstehen, wird aus Angst der Gefährdung von Arbeitsplätzen nichts für den Klimaschutz unternommen. So wird auch gegen die größten Umweltverschmutzer auf Seiten der Industrie nichts unternommen. Die ökonomischen Interessen sind so dominant, daß nichts gegen den Klimaschutz unternommen wird. So auch beim Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleenergie.

Da werden lieber fossile technische Dinosaurier weiter durchgefüttert, als sinnvoll zu investiert; unsere Wirtschaftsbosse klopfen sich auf die Schulter, - und genehmigen sich immer üppigere Boni, weil weder sie, noch die Firmen für Fehlentwicklungen gradestehen müssen.
Und so wird es in Europa Kohle- und Atomstrom mangels wirtschaftlicher Alternative noch recht lange weiter gehen.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen in Deutschland zwanzig Kohlemeiler stillgelegt werden. Die Grünen wollen die zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort dichtmachen und bis 2030 ganz aus der Kohle aussteigen. Die Union ist für einen Ausstieg aus der Braunkohle, aber ohne Festlegung.

Um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, müssen viel mehr Unternehmen, Landwirte und Personen
zwingend beteiligt werden.

Blog-Artikel:

Der Klimagipfel in Bonn ist beendet

Klimakonferenz in Bonn

Mittwoch, 8. November 2017

Klimakonferenz in Bonn

Eröffnung der Klimakonferenz in Bonn

Die Klimakarawane macht nach 16 Jahren wieder Halt in Bonn. Eine UN-Klimaschutzkonferenz in der Stadt am Rhein gab es zuletzt 2001, damals allerdings mit deutlich weniger Teilnehmern. Mehr als 23.000 Menschen aus 197 Ländern treffen sich vom 6. bis 17. November in Bonn, um den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen voranzutreiben. Delegierte aus aller Welt, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Journalisten. Es ist eine der größten zwischenstaatlichen Konferenzen, die es hierzulande je gegeben hat.

Dabei hat Deutschland gar nicht den Vorsitz, sondern der pazifische Inselstaat Fidschi - ein Zeichen, dass die Weltgemeinschaft die Anliegen der Länder ernst nimmt, die besonders unter Folgen des Klimawandels wie dem Anstieg der Meeresspiegel leiden. Weil Fidschi eine Konferenz dieser Größenordnung nicht stemmen kann, hat Deutschland die Ausrichtung übernommen - am Standort des UN-Klimasekretariats in Bonn.

Viele Industrieländer nehmen den Klimaschutz weiter nicht ernst und die Politik trifft keine politische Handhabe gegen Energieunternehemen, welche schädlichen CO2-Ausstoß in die Luft pussten, anstatt endlich den CO2-Ausstoß durch Stillegung von Klimaschleudern zu begrenzen. Immer wenn es um konkrete Vereinbarungen mit den Unternehemen geht, stockt die Politik. Ohne ein stärkeres Bekenntnis der Regierungen zum Handeln, können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden.

Der Klimagipfel soll klären, wie das Pariser Abkommen umgesetzt wird. 2015 hatten sich in Paris 195 Staaten den Kampf gegen den Klimawandel als Ziel gesetzt und ein "2 Grad-Ziel" vereinbart. Seit heute beraten sie auf der Weltklimakonferenz in Bonn darüber, wie aus dem Ziel Realität werden soll. Die Klimadiplomaten müssen ein verbindliches Regelwerk finden, mit dem die nationalen Klimaschutzziele überprüft werden können.

Auch durch die Klimaschutzkonferenz in Bonn wird es keine grundlegende Verbesserung des Klimaschutzes geben. Ob die viele heiße Luft, die während dieser Klimakonferenz wieder produziert werden wird, das Klima weiter aufheizt? Wann beginnt man endlich, sich mit realistischen Maßnahmen auf die Klimaveränderung einzustellen? Stattdessen starrt man wie das Kaninchen auf die Schlange auf den Fetisch des "2 Grad-Zieles".

Die Risiken, die nicht an den Grenzen von menschlich geschaffenen, also künstlichen Nationalstaaten Halt machen, sondern globaleAuswirkungen haben können, untersucht Ulrich Beck in seinem Buch über die Weltrisikogesellschaft. Die durch den Klimawandel bedingten Naturkatastrophen gehören zu der von dem Soziologen Ulrich Beck beschriebenen Weltrisikogesellschaft .

Weblink:

Wenig spektakulär - aber wichtig


Blog-Artikel:

Mit Klimaschutz wenig am Hut

Literatur [ >> ] :

Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit von Ulrich Beck

Sonntag, 5. November 2017

Die Jamaika-Gespräche stocken


Teilnehmer der Sondierungsgspräche stehen auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft

Nicht nur wegen inhaltlicher Differenzen stocken die Jamaika-Gespräche. Teilen der Parteieen von CSU und Grünen fällt es schwer, ihre über Jahrzehnte gewachsene politische Feindschaft aufzugeben.

Beide Parteien und zukünftige Koalitionäre wollen ihre Interessen gegenüber ihren Wählern wahren. Diese Koalition wird sicher keine Liebesheirat, aber wächst hier zusammen, was nicht zusammengehört?

Die Koalitionäre sind ein Konglomerat von ganz unterschiedlichen Interessen. Die pragmatischen Realisten in dieser Partei sind zumeist eigentlich nur in Bayern und Baden-Württemberg zu finden, der Rest der Grünen ist programmatisch viel weiter links eingestellt.

Und ob nun gerade dieser linke Flügel der Grünen vier Jahre mit der konservativen CSU klarkommen wird, daran haben viele ihre berechtigten Zweifel. Konfliktpotential für zukünftigen Koalitionsstreit ist auf jeden Fall genug vorhanden.

Doch wer regieren will, muss Kompromisse schliessen und bereit sein zum Dialog. In der Wurstigkeit gegen alle Probleme liegt eine Vorahnung davon, ihnen gewachsen sein.