Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags:
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestags,
werte Entscheiderinnen und Entscheider über Krieg und Frieden ?im Namen des Volkes?,
am morgigen Freitag sollen Sie im Bundestag über einen Einsatz der
Bundeswehr in Syrien entschei-den. Ich bitte Sie eindringlich, dem
entsprechenden Antrag der Bundesregierung Ihre Zustimmung zu verweigern.
Mit blankem Entsetzen habe ich die Bilder und Berichte von den
Terroranschlägen in Paris verfolgt. Mit ähnlichem Entsetzen verfolge
ich, wie besinnungslos (die) westliche(n) Regierungen durch Erwei-terung
und Intensivierung des militärischen Engagements die Konflikteskalation
in die Höhe treiben. Keine Spur eines selbstkritischen Nachdenkens über
die eigene Verwicklung in den internationalen Terrorismus; und das
eigene Handeln wird einfach als ?alternativlos? hingestellt. Der
herrschende Mythos rettender, ja ?erlösender? Gewalt ist, so scheint es,
weder durch den selbstgesetzten verfas-sungs- und völkerrechtlichen
Rahmen zu bändigen noch kann entgegenstehende Evidenz ihm etwas anhaben.
Er kleidet Militärgewalt in den Mantel einer Naturnotwendigkeit und
einer letzten Zuflucht, einer Gottheit also. Und natürlich verlangt
diese Gottheit ?Opfer?.
Bisher liegt jedenfalls keine Resolution des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen vor, die den frag-lichen Einsatz legitimieren oder
wenigstens legalisieren könnte. Die Berufung auf den Artikel 42,7 des
EU-Vertrags von Lissabon, in dem einem Mitgliedstaat für den Fall eines
Angriffes Beistand zugesagt wird, reicht dazu nicht. An die (übrigen)
von großkirchlichen ?Friedensethikern? viel beredeten, gerne als
trennscharf propagierten und weithin akzeptierten ethischen
Prüfkriterien für einen verantwortba-ren Rückgriff auf ?rechtserhaltende
Gewalt? erinnert man sich lieber erst gar nicht. Und was die Evi-denz
betrifft: Die Probleme im Nahen und Mittleren Osten wurden durch die
interventionistische mili-tärische Gewalt seit der Epochenwende von
1989/90 zweifelsohne verschlimmert. Destabilisierung und Zerrüttung
staatlicher Strukturen insbesondere in Afghanistan, im Irak und in
Libyen haben eine Vervielfältigung und Ausbreitung terroristischer
Akteure und Netze befeuert.
Eine Ausweitung des Krieges in Syrien wird vor allem die
gegensätzlichen Interessen der Konfliktpar-teien bedienen und eine
Befriedung der Region weiter erschweren. Mehr vom selben kann keine
Ursa-chen der Gewalt und der Fluchtbewegungen beheben, verschlimmert
voraussichtlich aber die Lebens-situation der Menschen und dürfte im
Übrigen den IS als Quasi-Staat aufwerten und als
Terroristen-Rekrutierungsprogramm wirken.
Wichtig erscheint mir dagegen, dass die bestehenden staatlichen
Strukturen in Syrien so weit als mög-lich erhalten bleiben. Dazu muss
der Konflikt ent-personalisiert werden, insbesondere darf die
Präsi-dentschaft Assads kein Grund für einen Ausschluss Syriens von
Verhandlungen über Syrien sein! Deutschland sollte als Vermittler
agieren, aber auch alles daran setzen, dass der IS die ökonomische Basis
verliert, dass vor allem der schwunghafte Handel mit Öl und Waffen
unterbunden wird. Geld-ströme aus dem Ausland, insbesondere aus
Saudi-Arabien, müssen erfasst und gekappt werden. Die immensen Mittel,
die unser Land im Zuge des erweiterten militärischen Einsatzes
buchstäblich zu verpulvern im Begriffe steht, sollten dazu verwandt
werden, die miserable Lebenssituation der betrof-fenen Bevölkerung zu
verbessern und so Kriegs- und Fluchtursachen zu bekämpfen. Nicht zuletzt
braucht die Krisenregion eine realistische und doch überparteiliche
Wiederaufbauperspektive.
Verweigern Sie dem Kriegsbeschluss des Bundeskabinetts Ihre Zustimmung!
Die Bundeswehr in den nächsten Krieg? Jedenfalls nicht mit mir, nicht in meinem Namen!
Mit besten Grüßen
A. Fuchs, 03.12.2015
Prof. Dr. Albert Fuchs | An der ev. Kirche 39 | 53340 Meckenheim