Eine der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit hat in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schwerste Verwüstungen angerichtet. Schon jetzt wurden deutlich mehr Tote gezählt als beim "Jahrhunderthochwasser" 2002.
Bei den Unwettern in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Die Behörden gaben ihre Zahl am Morgen mit 160 an. Weil noch viele Menschen vermisst werden, ist die genaue Zahl der Opfer bislang unbekannt, es wird befürchtet, dass die Zahl noch ansteigen wird. Es ist aber kein Unwetter, sondern die Folge und das Ergebnis des vom Menschen zu verantwortenden Klimawandels.
Zukünftig werden wir mit solchen extremen Bedingungen leben müssen. Regierungen, Wirtschaft und all diejengen, die die Warnungen der Klimaforscher belächelt bzw. nicht ernst genommen haben, merken nun vielleicht, dass es Zeit ist zu handeln.
Die Extreme nehmen von Jahr zu Jahr zu und bislang wird aber so weitergemacht wie bisher
Nach Besichtigung der immensen Schäden folgt die Suche nach den Ursachen dieses verheerenden Unwetters: Die Unwetter in Deutschland sind ein Zusammenspiel von Wetterlage, Klimawandel und geografischen Eigenschaften der Region.
Der menschengemachte Klimawandel erhöht Wahrscheinlichkeit und Intensität von Sturzregen. Es wäre aber unklug, darüber die anderen Faktoren zu übersehen, die für die Entstehung des Desasters eine wichtige Rolle gespielt haben.
Dass die Überschwemmungen im Ahrtal so heftig ausfielen, liegt auch an der lokalen Topografie – es handelt sich bei der Topographie um einen schluchtartigen Abschnitt.
Die Überflutungen in Deutschland, die durch die anhaltenden Regenfälle in der letzten Woche ausgelöst wurden, haben katastrophale Ausmasse erreicht. Gemäss offiziellen Angaben sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen. Im Vergleich hatten die Unwetter in der Schweiz bisher glimpfliche Folgen.
Doch nicht nur die schrecklichen Folgen, auch die rein meteorologischen und hydrologischen Daten des Ereignisses sind extrem. In manchen Regionen fielen mehr als 100, teilweise sogar mehr als 200 Liter Regen pro Quadratmeter – und das innerhalb von nur 24 Stunden. In Altenahr erreichte der Pegel der Ahr eine Höhe von mindestens 5,75 Metern, weit über der fünf Jahre alten Rekordmarke von 3,71 Metern.
Klimawandel verstärkt die Regengüsse
s dauerte nicht lange, bis die Frage nach der Rolle des Klimawandels aufkam. Dass der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität starker Regenfälle in den mittleren Breiten erhöht, ist wissenschaftlicher Konsens. Dass im Zuge der Erderwärmung die Zahl heftiger Schauer steigen könnte, tönte schon im ersten Bericht des Uno-Klimarats von 1990 als Möglichkeit an. Ein wichtiger Grund für die Hypothese ist ein elementarer physikalischer Zusammenhang: Pro ein Grad Celsius Erwärmung kann die Luft rund sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen.
Diese zusätzliche Feuchte führe in der langfristigen Tendenz zu höheren Niederschlagsmengen, insbesondere bei Starkregen, sagt Sebastian Sippel von der ETH Zürich. Forscher vermochten diesen theoretischen Zusammenhang zwischen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag in den letzten Jahren auch anhand von gemessenen Daten zu bestätigen.
Einiges deutet darauf hin, dass Regengüsse pro ein Grad Erwärmung sogar um mehr als sieben Prozent stärker werden können. Um wie viel die Erderwärmung die gegenwärtigen Unwetter in Deutschland intensiver und wahrscheinlicher gemacht hat, müssen weitere Untersuchungen klären. Das ganze Ausmass der Katastrophe erklären sie allerdings ohnehin nicht.
Eine Wetterlage wie die derzeitige ist in Mitteleuropa auch in der Vergangenheit schon wiederholt aufgetreten und hat Überschwemmungen ausgelöst, zum Beispiel im Erzgebirge im Jahr 2013. Es handelt sich bei der Wetterlage um ein nahezu ortsfestes Höhentief.
Besonders heikel dabei ist, dass feuchte Luftmassen mit einer hohen Neigung zur Schauer- und Gewitterbildung in einer Region festgehalten werden. Das führt zu ungewöhnlich hohen Regenmengen. Wann solche stagnierenden Strömungsmuster auftreten, hängt generell vom Zufall ab. Manche Wissenschafter mutmassen, dass die Häufigkeit derartiger Wetterlagen im Zuge des Klimawandegls zunimmt. Doch diese Hypothese ist umstritten und noch Gegenstand intensiver Forschung.
Ein für Hochwasser anfälliges Tal
Auch die topografischen Merkmale der am stärksten betroffenen Region im Westen Deutschlands haben einen hohen Anteil am Ausmass der Überflutungen. Das Ahrtal ist nämlich tief in das Rheinische Schiefergebirge eingegraben. Manche Abschnitte ähneln einer Schlucht. Bei extrem hohen Regenmengen ist es praktisch unausweichlich, dass unten im engen Flusstal plötzlich der Pegel ansteigt. Schon in früheren Jahrhunderten kam es dort immer wieder zu katastrophalen Überschwemmungen.
Laut dem Geografen Jürgen Herget von der Universität Bonn, der historische Pegelrekonstruktionen zusammen mit seinem Kollegen Thomas Roggenkamp durchgeführt hat, besass das Hochwasser von 2016 eine ähnliche Grössenordnung wie dasjenige im Jahr 1910. Doch es lägen Befunde von 1804 vor, die beide deutlich überträfen. Ob die gegenwärtige Überflutung die 200 Jahre alte Marke deutlich überschritten habe, müsse noch untersucht werden.
Die Versiegelung von Böden im Einzugsgebiet der Ahr könnte das rasche Abfliessen von Regenwasser noch zusätzlich verstärkt haben. Herget glaubt aber, dass dieser Faktor kaum ins Gewicht gefallen sei. Die Regenmengen seien so gross gewesen, dass das Wasser auch ohne Versiegelung direkt abgeflossen wäre. Der Ort Dernau im Landkreis Ahrweiler wurde beinahe komplett von den Wassermassen geflutet.
Soforthilfe vom Bund
An Geld wird die Hilfe nicht scheitern. Das Bundeskabinett beschliesst mindestens 200 Millionen Euro. Die akute Gefahr in den Hochwassergebieten scheint vorerst gebannt. Während die Aufräum- und Bergungsarbeiten in den Krisengebieten weitergehen, ist auch mehr Raum für die politische Aufarbeitung.