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Samstag, 8. November 2014

Biermann ist zu einem bösen alten Wolf geworden

Biermann ist zu einem bösen alten Wolf geworden, der mittlerweile besser beißen als singen kann. Biermann war damals gut, als er seine bissigen Balladen gegen die DDR-Obrigkeit richten konnte und ein dankbares Publikum fand.
"Das Reden habe ich mir in der DDR nicht abgewöhnt und werde das hier schon gar nicht tun."

Wolf Biermann

Aus dem gesellschaftskritischen Barden spricht heute der Frust eines alten und zutiefst verbitterten Mannes, der nach seiner Ausbürgerung 1976 ins Niemandsland geraten war, wo er sein altes Publikum verloren hatte und das neue Publikum im Westen nicht so recht aktezptieren wollte, da der Polit-Sänger ihnen zu bissig und zu agitorisch war.
"Ein Drachentöter kann nicht großer Gebärde die Reste der Drachenbrut tapfer niederschlagen."

Wolf Biermann

Die Stimme des Unakzeptierten lies am Freitag im Bundestag mit einer Attacke gegen die linken Kader, die einst dafür gesorgt haben, dass er 1976 ausgewiesen wurde, ihren freien Lauf. Herausgekommen ist statt dem imposanten Auftritt eines klampfenden Barden eine lächerliche Farce, die sich alle Beteiligten hätten ersparen müssen. Wolfes Stimme aus dem Niemandsland hat den Abgeordneten im Bundestag Hohn gesprochen, aber viele haben es noch nicht einmal bemerkt.
"Die Wirklichkeit ist immer noch fantastischer als alle Fantasie."

Wolf Biermann

Weblink: Wolf Biermann | Kölner Sporthalle 1976 - Youtube - www.youtube.com

Dienstag, 29. Oktober 2013

Lou Reed im Alter von 71 Jahren gestorben

Lou Reed

Die Rocklegende Lou Reed ist tot. Der Sänger, der mit der 1960er-Jahre-Kultband »The Velvet Underground« und auch als Solo-Künstler Musikgeschichte geschrieben hat, starb im Alter von 71 Jahren in seinem Haus in Southampton im US-Staat New York. Reed starb an den Folgen einer Lebererkrankung. Er hatte sich erst im Mai 2013 einer Lebertransplantation unterzogen und war seit Monaten bei schlechter Gesundheit gewesen.

Reed erreichte zwar nie den kommerziellen Erfolg von anderen Größen seiner Zeit wie etwa Bob Dylan, er hatte aber enormen Einfluss auf Generationen von Musikern. Mit seiner Band »The Velvet Underground« öffnete er die Rockmusik in Richtung Avantgarde, zum experimentellem Theater, zur Kunst, Literatur und zum Film, zu William Burroughs und Kurt Weill, zu John Cage und Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der Reed und »The Velvet Underground« unterstützte.

Lou Reed verkörperte wie kaum ein anderer die Kulturszene Manhattans. Reed hatte einen Top-20-Hit mit "Walk On The Wild Side", viele seiner Songs wurden zu Klassikern wie etwa "Heroin", "Sweet Jane" oder "All Tomorrow's Parties" und er verkörperte wie kaum ein anderer Musiker die Kulturszene in Downtown Manhattan in den 1960er und 1970er Jahren. Anfangs noch ein Musikrebell, trat er später sogar im Weißen Haus auf, veröffentlichte Texte im renommierten "New Yorker" und erhielt 1999 einen Grammy für das beste Langform-Musikvideo. 1996 wurde seine Band »The Velvet Underground« in die »Rock and Roll Hall of Fame« aufgenommen.

Reed wuchs in einer klassischen amerikanischen Mittelschichtfamilie auf, als Sohn eines Buchhalters in Long Island, östlich von New York. Doch bald rebellierte er gegen seine Eltern, die ihn sogar einer Elektroschock-Therapie unterzogen, um ihn vor seinen bisexuellen Neigungen zu "heilen". Nach dem Studium an der Syracuse University, wo er mit Delmore Schwartz seinen ersten großen Förderer kennenlernte, zog Reed nach New York und spielte dort in Bars und Nachtclubs.

Dort fand er sich auch mit John Cale, Sterling Morrison und Maureen Tucker zusammen. Die Band benannte sich »The Velvet Underground« nach einem Buch von Michael Leigh über die sexuelle Subkultur. Mitte der 1960er Jahre probten sie in Warhols Factory, einem Treffpunkt für die Kunstszene und Ort für Drogen- und Sexpartys. Über Warhol kamen sie auch mit der in Deutschland geborenen Sängerin Nico zusammen, mit der sie ihr mittlerweile weltbekanntes Album mit Warhols Banane auf dem Cover aufnahmen.

Reed kämpfte über Jahre hinweg mit Drogen- und Alkoholproblemen. Nachdem er in den 1980ern davon losgekommen war, veröffentlichte er eine Reihe von gefeierten Alben wie "The Blue Mask", "Legendary Hearts" oder "New Sensations". Im Laufe seiner weiteren Karriere versuchte er immer wieder neue Wege zu gehen, unter anderem mit einem Konzeptalbum über Edgar Allan Poe im Jahr 2002 oder durch die Zusammenarbeit mit Metallica 2011 bei "Lulu".

Kollegen und enge Weggefährten betrauern den Verlust des berühmten US-Rockmusikers und Rock-Avantgardisten. "Die Welt hat einen ausgezeichneten Songwriter und Poeten verloren [...] Ich habe meinen Schulhof-Kumpel verloren", schrieb John Cale auf seiner Facebook-Seite. Cale hatte mit Reed Ende der 1960er Jahre die von Andy Warhol geförderte Punk-Avantgarde-Band »Velvet Underground« gegründet. "Er war ein Meister", erklärte Musiker David Bowie, der 1972 Reeds erstes Soloalbum "Transformer" produziert hatte.

Punk-Ikone Patti Smith trauert um "einen meiner wichtigsten Freunde in meinem Leben". Musiker Iggy Pop schrieb auf Twitter von "niederschmetternden Neuigkeiten". Paul Stanley, Gründungsmitglied der Rockgruppe Kiss, würdigte Reed als "Musiker, Künstler und Vorreiter, der nach seinen eigenen Regeln gespielt hat". "Mein Freund Lou Reed ist am Ende seines Songs angelangt", twitterte Bestseller-Autor Salman Rushdie. Sie sei ihm "extrem dankbar" für alles, schrieb Schauspielerin Mia Farrow. Und der Hip-Hop-Produzent Russell Simmons twitterte: "New York hat eines seiner größten Geschenke verloren."

Weblink:

Lou Reed ist gestorben - 3Sat Kulturzeit www.kulturzeit.de
Lou Reed - Wikipedia
Velvet Underground - Wikipedia

Sonntag, 6. November 2011

Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk

Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk und öffentlichen Krawall: Das Urteil gegen die aufmüpfige russische Punk-Band »Pussy Riot«, eine 2011 gegründete feministische, regierungs- und kirchenkritische Punkrock-Band aus Moskau, hat die Welt empört. Frontfrau Nadeschda Tolonnikowa sagte: "Wir hätten nie gedacht, dass die Staatsmacht so dämlich ist." - "Ich kann es kaum glauben", schrieb die Punk-Sängerin vor dem Urteil in einem offenen Brief, "dass alles kein Traum ist"
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Tatsächlich ist unfassbar, was sich die gnadenlose russische Justiz mit dem Urteil gegen die Band Punkband »Pussy Riot« geleistet hat. Soviel lauter Krawall in einer orthodoxen Kirche war der russischen Staatsmacht dann doch zuviel. Ihr jugendlicher Protest und ihr schrilles Punk-Gebet kommen den Krawallschachteln von »Pussy Riot« nun teuer zu stehen: Zwei Jahre sollen die drei jungen Frauen in ein Straflager, weil sie 40 Sekunden lang in der Orthodoxen Christus-Erlöserkirche in Moskau im Allerheiligsten ihr schrilles Punk-Gebet "Gottesmutter, befrei' uns von Putin" skandierten. "Rowdytum" und "Verbreitung von religiösem Hass" wird ihnen laut Anklage vorgeworfen.

Pussy Riot

Die russische Staatsmacht - bereit, den Aufstand niederzuschlagen - hat sich entblößt und dabei ihr häßliches Gesicht gegen die aufmüpfigen »Pussys« gezeigt - eine Fratze. Das Urteil der Justiz eine Farce. Harte Strafen gegen die jungen Frauen sind die Münze, mit der die Staatsmacht den Protest heimzahlt. Das harte Urteil der Justiz löste einen Aufschrei des Protestes aus: "Schande!", schrien Zuhörer über das Urteil im Gerichtssaal. "Die ganze Welt lacht über unser absurdes Land!", schrie ein junger Mann. Der Schriftsteller Boris Akunin schimpfte: "Ich habe keine Worte mehr für diese Idiotie!"

Empörte Moskauer demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude. Rund 30 sollen verhaftet worden sein und wurden mit Polizeiwagen weggebracht. Darunter Schach-Großmeister und Oppositionspolitiker Garry Kasparov, der laut einem Gespräch mit der Agentur Interfax nur als Zuschauer da gewesen sei und gerade mit einem Journalisten gesprochen habe, als die Polizisten ihn wegzerrten. Später sei er geschlagen worden.

Die jungen Frauen der Punk-Band nahmen das harte Urteil auf Geheiß von oben mit einem Lächeln hin. An eine Bewährungsstrafe hatte kaum jemand mehr geglaubt, nachdem die drei bereits seit März in Untersuchungshaft saßen. "In der Untersuchungshaft ist die Schuldvermutung am schwersten auszuhalten", sagten die Mädchen im Interview mit der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta". "Alle halten alle Untersuchungshäftlinge apriori für schuldig." Freisprüche kommen in der russischen Rechtsprechung kaum vor – in 80 Prozent aller Fälle folgt der Richter den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Auch in diesem Urteil gab die Richterin Marina Syrowa Stunden lang die Argumente der Anklage wieder. Drei Stunden lang dauerte die Urteilsverkündung, auf 3.000 Seiten Ermittlungsunterlagen hatte die Moskauer Staatsanwaltschaft die 40 Sekunden Auftritt genau analysiert. Ausführlich zitierte Syrowa Gläubige, die von den "teuflischen Zuckungen" der Mädchen angeblich bis heute traumatisiert sind.

Angeblich vom Auftritt der Band mit ihrem "Muschi-Krawall" traumatisierte Opfer wurden als Zeugen vor Gericht geladen. "Ich verspüre Verbitterung und Schmerz angesichts des Gesehenen", hatte eine Besucherin der Kathedrale vor Gericht erklärt. "Der Schmerz vergeht nicht." Ein Wachmann der Kathedrale sei nach dem Blitz-Auftritt der Mädchen zwei Monate nicht mehr arbeitsfähig gewesen. Immer wieder beschrieb die Richterin ausführlich, dass die Frauen sich in der Kirche nicht nach kirchlichen Normen verhalten hätten, als sei in Russland bereits ein kurzes Kleid im Gotteshaus strafbar.

Weblinks:

Frontfrau prophezeit Putin "heißen Herbst" - www.stern.de
Frauen Punkband Pussy Riot - www.stern.de
Garry Kasparov Protest - www.chessdom.com

Pussy Riot - Wikipedia
Nadeschda Tolokonnikowa - Wikipedia

Blog-Artikel:

Ein hartes Urteil gegen Pussy Riot
»Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« von Alexander Solschenizyn
Ein Tag aus dem Leben der Nadeschda Tolokonnikowa