Gleich am ersten Tag sagte ihr der Lagerleiter: "Wenn Sie Ihre Produktionsnorm nicht erfüllen, wird Ihr Arbeitstag verlängert. Und überhaupt haben wir hier auch schon härtere Menschen gebrochen."
Seither arbeitet Nadeschda in der Nähwerkstatt, 16 bis 17 Stunden am Tag von 7.30 Uhr bis 0.30 Uhr. Für Schlaf haben die Häftlinge im besten Fall vier Stunden zur Verfügung. Sie müssen Anträge schreiben, dass sie "freiwilllig" auch am Wochenende arbeiten wollen, so dass sie fast an allen Sonntagen arbeiten.
Um die Disziplin aufrecht zu erhalten, gibt es informelle Strafen: "Im Hof sitzen" heißt, dass einem verboten wird, auch im Herbst und Winter in die Barracke zu gehen. "Hygiene schließen" heißt, dass einem verboten wird, sich zu waschen und zur Toilette zu gehen. Manche Häftlinge werden geschlagen, wenn sie nicht genug leisten, auf die Nieren und ins Gesicht.
In den Barracken gibt es zwar "Hygienezimmer", aber um die Häftlinge zu erziehen und zu bestrafen, müssen 800 Frauen einer Brigade in ein gemeinsames Waschzimmer gehen, in das nur fünf Menschen gleichzeitig pasen. Einmal in der Woche darf man sich die Haare waschen, aber auch dieser Tag wird manchmal abgesagt, weil die Pumpe kaputt ist oder die Kanalisation verstopft ist. Zu essen bekommen die Häftlinge nur trockenes Brot, reichlich mit Wasser verdünnte Milch, ausschließlich ranzige Hirse und nur faule Kartoffeln.
Nach der Lesung eines "Punk-Gebetes" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche wurde sie zu zwei Jahren Straflager wegen "Rowdytums aus religiös motiviertem Hass". Nadeschda hat wegen ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit eine winzige Sonderstellung im Lager, so dass sie zumindest nicht geschlagen wird. Ihr Bericht aus dem GULAG IK 14 zeigt, daß sich im russischen Straflagerleben seit den Zeiten von Alexander Solschenizyn nicht allzu viel geändert zu haben scheint. Die sibirischen GULAGs sind immer noch genauso unmenschlich wie früher.
Empfohlene Bücher von Alexander Solschenizyn:
Der frühere russische Präsident Dmitrij Medwedew hatte schon einen kleinen Reformprozess dadurch angestossen, dass wenigstens die Zahl der in den Lagern Inhaftierten seit 2010 um 17,5 Prozent zurückgegangen ist. Jetzt hat der Brief der Tolokonnikowadie Mauer des Schweigens durchbrochen und den Staat gezwungen, sich zu dem Thema zu äußern, das überall Gesprächsstoff geworden ist.
Aus der staatlichen Gefängnisverwaltung war daher zu hören, dass die Löhne für Gefangenen erhöht und die Arbeitstunden veringert werden sollen. Ein winziger Hoffnungsschimmer wäre das, dem grundlegende Reformen von Polizei und Jusitz in Russland erst noch folgen müssen.
Weblinks:
Nadeschda Tolokonnikowa - Wikipedia
Die Straflager von Mordowien - okapustina.blogspot.com
Blog-Artikel:
Ein hartes Urteil gegen Pussy Riot
Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk
»Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« von Alexander Solschenizyn
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