Samstag, 9. November 2013

Ein hartes Urteil gegen Pussy Riot

»Schuld und Sühne« ist ein altes russisches Rechtsprinzip. - Das Urteil gegen die Punk-Band »Pussy Riot« ist sehr hart ausgefallen. Das drakonische Urteil des sühnenden Staates gegen die Musikerinnen der russischen Punk-Band »Pussy Riot« vom 17. August 2012 steht in einer langen Tradition fragwürdiger russischer Justiz-Urteile. Das Urteil hat eine lange Vorgeschichte. Schon im Zarenreich und im Staatssozialismus diente der Vorwurf des "Rowdytums" der Unterdrückung von Jugendkulturen. Es hat schon viele politische Urteile in Russland gegeben. Bereits im Kommunismus spielte er eine wichtige Rolle bei der Verfolgung politischer Gegner.

Pussy Riot

Politische Urteile gibt es viele in Russland. Die Verurteilung der drei jungen Frauen des russischen Punk-Kollektivs »Pussy Riot« hat aber im Unterschied zu anderen Justiz-Urteilen weltweit Empörung erregt. Menschen fühlen sich angesprochen, weil die Musik auch ihre eigene ist, das macht das Urteil für viele zu einer höchstpersönlichen Angelegenheit. Das Moskauer Urteil gegen die Musikerinnen wird nicht nur Geschichte machen, es hat auch eine. Die Entscheidung der Richterin steht in einer langen und unrühmlichen rechtshistorischen Tradition autoritären und antiliberalen staatlichen Handelns. Dies belegt schon der Tatbestand des „Rowdytums“, unter dem die Anklage stand.

»Randale und Strafe« - In dem Urteil gegen die Punk-Band »Pussy Riot« gab die Richterin Marina Syrowa Stunden lang die Argumente der Anklage wieder. Den politischen Protest sprach die Richterin der Punk-Band eindeutig ab. "Rowdytum" und "Verbreitung von religiösem Hass" warf sie ihnen vor. Auch von den Zeugen will niemand gehört haben, dass sich der wilde Song der Mädchen sich auch gegen den Präsidenten und den Patriarchen der Orthodoxen Kirche richtete. Die Kirche ist eng an den Kreml gebunden. Vor der Präsidentschaftswahl im März rief der Patriarch seine Gläubigen gar auf, Wladimir Putin zu wählen.

Doch in Wirklichkeit sind die Mädchen politische Gefangene – auch »Amnesty international« hat sie längst als solche anerkannt. Besonders absurd daran: Wären sie nicht verhaftet worden, hätte der Kreml nicht diesen wahnsinnigen Prozess gegen sie angezettelt – kaum jemand hätte sich für ihren provokativen Krawall-Auftritt interessiert. "Nicht der Krieg gegen Georgien, nicht die Enteignung der Ölfirma Jukos, nicht der offen politische Prozess gegen Michail Chodorkowskij, nicht einmal die Rückkehr Putins in den Kreml hat dem Image Russlands in der zivilisierten Welt so geschadet wie dieser Prozess", schreibt die Moskauer Zeitschrift "Novoe vremja".

Der Politologe Dmitrij Oreschkin urteilt: "Die ganze Welt verfolgt diesen Prozess. Er ist ein Lackmustest für das politische System in Russland." Das Putin-Regime hat die neuen Ikonen der Protestbewegung und des Unrechts selbst geschaffen: Die Bilder von schönen jungen Frauen, die wegen Sekunden langem Krawall seit einem halben Jahr im Gefängnis sitzen, vor Gericht in Handschellen in einem Kasten aus Panzerglas von acht bewaffneten Polizisten bewacht wurden, gingen um die Welt. Madonna, Sting, Paul McCartney – Künstler aus aller Welt solidarisierten sich mit den Mädchen, die zuvor kaum einer kannte. Die kaum singen können, schlecht Gitarre spielen und grelle Texte dichten wie: "Putin pisst sich in die Hose."

Schon vor Putins neuer Amtszeit hatten Kritiker befürchtet, dass Putin härter durchgreifen würde gegen den wachsenden politischen Protest. Diese Ahnung ist wahr geworden. Hundertfach wurden in den vergangenen Monaten in Putins autoritärem Russland Demonstranten verhaftet, die Polizei durchwühlte die Wohnungen prominenter Oppositioneller, Politiker sind von Prozessen bedroht, werden abgehört und beschattet. Bei einer Solidaritätsdemo für die Sängerinnen von Pussy Riot prügelten Polizisten und Wachleute mit Schlagstöcken auf Fotografen und Demonstranten ein. Doch den Widerstand wird Putin so nicht brechen.

Das Urteil im Prozess gegen »Pussy Riot« schadet dem Kreml in jedem Fall. Das »Putin-Regime« hat den Protest und die öffenltiche Wirkung des Urteils ganz einfach unterschätzt. Die Menschen in Russland wollen sich nicht länger von einem autoritären Staat und Justiz bevormunden lassen! Zu hunderttausenden waren im vergangenen Winter Unzufriedene auf die Straßen gegangen, hatten gegen die gefälschten Parlamentswahlen im Dezember und den dreisten Ämtertausch von Ex-Präsident Dmitrij Medwedew und Ex-Premier Wladimir Putin protestiert. Der Protest war abgeebbt. Das harte Urteil der russischen Jusitz gegen die drei Sängerinnen der »Pussy Riot« wird die unzufriedenen, gebildeten, die jungen und modernen Russen wieder auf die Straße treiben. "Wir hätten nie gedacht", sagte Tolonnikowa vor dem Urteil, "dass die Staatsmacht so unglaublich dämlich ist".

Das harte Urteil gegen die Punk-Band »Pussy Riot« zeigt, wie weit das autoritäre Russland noch von demokratischen Zuständen entfernt ist. »Väterchen Russland« ist auch aus einer langen Tradition heraus immer noch ein demokratie- und rechtsfernes Land. Es folgt eher dem Prinzip von Fjodor Dostojewski, nach dem der Schuld die Sühne und dem Verbrechen die Strafe zu folgen hat.

Weblinks:

Frontfrau prophezeit Putin "heißen Herbst" - www.stern.de
Frauen Punkband Pussy Riot - www.stern.de
Garry Kasparov Protest - Chessdom-Portal www.chessdom.com

Pussy Riot - Wikipedia
Nadeschda Tolokonnikowa - Wikipedia
Der Mann ohne Gesicht: Wladimir Putin

Blog-Artikel:

Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk
»Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« von Alexander Solschenizyn
Ein Tag aus dem Leben der Nadeschda Tolokonnikowa

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