Sonntag, 16. August 2015

Gysi und der Hauch von Wehmut beim Abschied

Gregor Gysi


Gregor Gysi ist ein begnadeter Redner, Beobachter, stets kritisch, aber auch menschlich - ein Mann stets der klaren Worte und der "klaren Kante". Er gab der Linkspartei ein menschliches Gesicht. Er hat linke Politik glaubhaft und überzeugend vertreten. Und e ist der Verteter seines eigenen konsequenten Standpunktes. Das ist seine große Leistung.

Er war der einzige, der kein Blatt vor dem Mund nahm. Für viele ist er der größte Verlust des Bundestags. Er nannte alle Probleme direkt beim Namen.

Nicht zuletzt versteht er sich darauf die Dinge klar beim Namen zu nennen, sich nicht hinter Worthülsen zu verstecken und eigentlich immer einen Ton zu treffen, der sowohl von Freunden seiner Partei - als auch Gegnern - immer wieder Zustimmung einbringt.

Gregor Gysi hat aus den Resten der einstigen SED die Linkspartei als politische Kraft in der Bundesrepublik geformt. Doch nicht alle Parteigenossen folgten ihm auf seiem Kurs immer begeistert.

Es war eine beinahe übermenschliche Leistung, eine Partei, die im Sozialismus existiert hat so weit zu reformieren, dass Sie - nachgewiesenermaßen - eine, wenn nicht die letzte wirklich demokratische Partei im Gesamtdeutschen Parlament wurde. Hierbei hatte er zwar Hilfe, aber er war eine Art "roter Faden" bei diesem Wandel.

Kurzum: Er ist einer der ganz wenigen "Politiker", die Deutschland noch hat und ich hoffe er bleibt uns noch lange in irgendeiner Form in der öffentlichen Debatte erhalten.

Samstag, 15. August 2015

Vom Merkantilismus zum Merkelantismus

Merkantilismus meint das im Absolutismus des 16.-18-Jhd. praktizierte Machtstreben durch Anhäufung von innerstaatlichem Reichtum (Gold und Silber) durch Handelsüberschüsse mit gleichzeitiger Arbeitsintensivierung im eigenen Lande und Schutzzölle.

Adam Smith, ein Urvater des Wirtschaftsliberalismus im 18. Jhd. kritisierte schon damals den Staatsegoismus, Gewinne nur auf Kosten anderer Nationen zu erzielen. Der wechselseitige Export und Import müsse allen beteiligten Ländern zugute kommen, um Produktivität und Wachstum und Wohlstand zu erzielen. Man dürfe nicht Reichtum und Geld erwechseln: Geldbesitz garantiere keineswegs wirklichen Reichtum an konsumierbaren Gütern, wenn nicht dem Geld auch die gewünschten Güter zum Kauf gegenüberstehen. – Eine damalige Formulierung über die Bedeutung der funktionierenden realen Wirtschaft, ganz im Sinne von: Midas lässt grüßen „Wem alles zu Gold werden soll, was er berührt, der verhungert.“

Und heute:

Wir leben längst nicht mehr in isolierten Nationalstaaten, sondern sind alle voneinander abhängig. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für die Menschen in einem Lande sind bestimmt von den Wechselbeziehungen der Staaten und Wirtschaftsmächte untereinander. Die derzeitige Krisenstrategie – besonders die deutsche – ist geprägt von einer Fehleinschätzung der Merkantilisten, nämlich der Überzeugung dass der Konsum nur eine sekundäre Rolle spielen darf, weil nur dann, wenn das Einkommen (Einnahmen) die Ausgaben übersteigt, auch der Reichtum wachsen könne. Diese im privaten geltende Regel lässt sich aber nicht so aufs Wirtschaftsgefüge der Staaten übertragen.

Merkelantismus“ - wo gibt es da nun Ähnlichkeiten?

Angesagt ist die Politik des „eisernen Sparens“ und Sanierung durch sogenannte „Reformen“der Arbeitswelt; gemeint ist Leistung durch harte Arbeit bei Lohnverzicht und weniger Arbeitnehmerschutz und mit umfassendem Sozialabbau verbunden; das alles, um besonders die Export-Wirtschaft anzukurbeln – die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem

Ausland zu stärken.

Für die strikte Begrenzung von Staatsausgaben und Staatsverschuldung wird mit starker moralischer Unterstützung über die Medien eine typisch deutsche Doktrin für den Vergleich bemüht: Für Volkswirtschaften müssten die gleichen strengen Auflagen gelten, wie für einen überschuldeten Privathaushalt oder Betrieb: Schuften bis an die Leistungsgrenzen bei größten persönlichen Einschränkungen, um bei den Gläubigern der Schulden keinen Verdacht aufkommen zu lassen, man wolle oder könne nicht zurückzahlen.
Volkswirtschaften sind aber in unseren Zeiten globaler Verflechtungen ganz besonders auf gegenseitigen Ausgleich der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der Staaten untereinander angewiesen.

Weblink:

Merkantilismus und MERKELantismus - www.jpberlin.de
Peter Struck, Attac Augsburg, Oktober 2012

Geschlossene Gesellschaft - Über den Aufstieg der Elite

Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft
Der Mythos von den Leistungseliten

Was wir schon immer ahnten, wird hier mit empirischen Studien wissenschaftlich belegt: Nicht die individuelle Leistung zählt für den Aufstieg, sondern die soziale Herkunft. Eine Generation nach dem 68er-Aufbruch sind wir noch weit von der offenen Gesellschaft entfernt. Die Vetternwirtschaft kostet Unsummen und verhindert, dass Spitzenposten wirklich von Spitzenleuten eingenommen werden.

Der Stallgeruch macht's! - Die Elite ist eine geschlossene Gruppe und bleibt unter sich. Bei dem Aufstieg der Elite wird nichts dem Zufall überlassen, sondern es ist alles genau geregelt und streng reglementiert. Nur Menschen mit der richtigen Kleidung und den passenden Hobbys haben Chancen auf eine Spitzenposition in der Wirtschaft.

Man muss sich nur genug anstrengen. Dann kommt der Erfolg ganz von selbst. Etwa nicht? Der Soziologe Michael Hartmann beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit den Eliten in unserer Gesellschaft. Sein Fazit klingt düster: Geht es um Spitzenposten in der Wirtschaft, zählt am Ende nicht die Leistung, sondern die Herkunft.

Eliten sind Personen, die aufgrund ihres Amtes oder ihres Eigentums gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich beeinflussen. Das können Bundesrichter sein, Vorstände eines Großunternehmens oder Spitzenpolitiker. Es mag auch einzelne Intellektuelle mit großem Einfluss geben, aber das sind Ausnahmen.

Bei der Frage, wie man zur Elite wird, ist dies ohne Hochschulabschluss fast unmöglich. Aber dieses Kriterium erfüllen inzwischen viele, mehr als ein Fünftel eines Jahrgangs. Daher kommen ganz besondere Persönlichkeitskriterien zum Zuge.

Wer kommt hier zum Zuge? - Die Kenntnis von den Verhaltensweisen, den sogenannten Codes der besseren Kreise, ein breites bildungsbürgerliches Wissen, eine optimistische, unternehmerische Einstellung und Souveränität. Das letzte Kriterium ist das entscheidende.

Wer souverän ist, verhält sich wie jemand, der weiß, dass er dazugehört. Er kann mit der Kleiderordnung und den Verhaltenscodes auch spielerisch umgehen. Jedes der genannten vier Kriterien begünstigt Bewerber, die aus dem großbürgerlichen Milieu stammen, ganz enorm. Denn sie wissen von Kindesbeinen an, worauf es ankommt, weil sie es verinnerlicht haben. Ein Aufsteiger wirkt dagegen unsicher.

Nun wissen wir es genau: Souveränität wird also vererbt. Die Studie erklärt, warum Top-Führungskräfte fast nie aus Arbeiterfamilien stammen. Letztlich läuft es darauf hinaus, daß sich das Bürgertum reproduziert. Der Stallgeruch macht's!

Weblink:

Der Stallgeruch macht's - www.sueddeutsche.de/karriere/

Literatur:

Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft
Der Mythos von den Leistungseliten:

Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft
von Michael Hartmann