»Schuld und Sühne«
ist ein altes russisches Rechtsprinzip. - Das Urteil gegen die
Punk-Band »Pussy Riot« ist sehr hart ausgefallen. Das drakonische Urteil
des sühnenden Staates gegen die Musikerinnen der russischen Punk-Band
»Pussy Riot«
vom 17. August 2012 steht in einer langen Tradition fragwürdiger
russischer Justiz-Urteile. Das Urteil hat eine lange Vorgeschichte.
Schon im Zarenreich und im Staatssozialismus diente der Vorwurf des
"Rowdytums" der Unterdrückung von Jugendkulturen. Es hat schon viele
politische Urteile in Russland gegeben. Bereits im Kommunismus spielte
er eine wichtige Rolle bei der Verfolgung politischer Gegner.
Politische Urteile gibt es viele in Russland. Die Verurteilung der
drei jungen Frauen des russischen Punk-Kollektivs »Pussy Riot« hat aber
im Unterschied zu anderen Justiz-Urteilen weltweit Empörung erregt.
Menschen fühlen sich angesprochen, weil die Musik auch ihre eigene ist,
das macht das Urteil für viele zu einer höchstpersönlichen
Angelegenheit. Das Moskauer Urteil gegen die Musikerinnen wird nicht nur
Geschichte machen, es hat auch eine. Die Entscheidung der Richterin
steht in einer langen und unrühmlichen rechtshistorischen Tradition
autoritären und antiliberalen staatlichen Handelns. Dies belegt schon
der Tatbestand des „Rowdytums“, unter dem die Anklage stand.
»Randale und Strafe« - In dem Urteil gegen die Punk-Band
»Pussy Riot«
gab die Richterin Marina Syrowa Stunden lang die Argumente der Anklage
wieder. Den politischen Protest sprach die Richterin der Punk-Band
eindeutig ab. "Rowdytum" und "Verbreitung von religiösem Hass" warf sie
ihnen vor. Auch von den Zeugen will niemand gehört haben, dass sich der
wilde Song der Mädchen sich auch gegen den Präsidenten und den
Patriarchen der Orthodoxen Kirche richtete. Die Kirche ist eng an den
Kreml gebunden. Vor der Präsidentschaftswahl im März rief der Patriarch
seine Gläubigen gar auf,
Wladimir Putin zu wählen.
Doch in Wirklichkeit sind die Mädchen politische Gefangene – auch
»Amnesty international« hat sie längst als solche anerkannt. Besonders
absurd daran: Wären sie nicht verhaftet worden, hätte der Kreml nicht
diesen wahnsinnigen Prozess gegen sie angezettelt – kaum jemand hätte
sich für ihren provokativen Krawall-Auftritt interessiert. "Nicht der
Krieg gegen Georgien, nicht die Enteignung der Ölfirma Jukos, nicht der
offen politische Prozess gegen Michail Chodorkowskij, nicht einmal die
Rückkehr Putins in den Kreml hat dem Image Russlands in der
zivilisierten Welt so geschadet wie dieser Prozess", schreibt die
Moskauer Zeitschrift "Novoe vremja".
Der Politologe Dmitrij Oreschkin urteilt: "Die ganze Welt verfolgt
diesen Prozess. Er ist ein Lackmustest für das politische System in
Russland." Das Putin-Regime hat die neuen Ikonen der Protestbewegung und
des Unrechts selbst geschaffen: Die Bilder von schönen jungen Frauen,
die wegen Sekunden langem Krawall seit einem halben Jahr im Gefängnis
sitzen, vor Gericht in Handschellen in einem Kasten aus Panzerglas von
acht bewaffneten Polizisten bewacht wurden, gingen um die Welt. Madonna,
Sting, Paul McCartney – Künstler aus aller Welt solidarisierten sich
mit den Mädchen, die zuvor kaum einer kannte. Die kaum singen können,
schlecht Gitarre spielen und grelle Texte dichten wie:
"Putin pisst sich in die Hose."
Schon vor
Putins neuer Amtszeit hatten Kritiker befürchtet, dass
Putin
härter durchgreifen würde gegen den wachsenden politischen Protest.
Diese Ahnung ist wahr geworden. Hundertfach wurden in den vergangenen
Monaten in Putins autoritärem Russland Demonstranten verhaftet, die
Polizei durchwühlte die Wohnungen prominenter Oppositioneller, Politiker
sind von Prozessen bedroht, werden abgehört und beschattet. Bei einer
Solidaritätsdemo für die Sängerinnen von Pussy Riot prügelten Polizisten
und Wachleute mit Schlagstöcken auf Fotografen und Demonstranten ein.
Doch den Widerstand wird Putin so nicht brechen.
Das Urteil im Prozess gegen
»Pussy Riot«
schadet dem Kreml in jedem Fall. Das »Putin-Regime« hat den Protest und
die öffenltiche Wirkung des Urteils ganz einfach unterschätzt. Die
Menschen in Russland wollen sich nicht länger von einem autoritären
Staat und Justiz bevormunden lassen! Zu hunderttausenden waren im
vergangenen Winter Unzufriedene auf die Straßen gegangen, hatten gegen
die gefälschten Parlamentswahlen im Dezember und den dreisten
Ämtertausch von Ex-Präsident Dmitrij Medwedew und Ex-Premier
Wladimir Putin
protestiert. Der Protest war abgeebbt. Das harte Urteil der russischen
Jusitz gegen die drei Sängerinnen der »Pussy Riot« wird die
unzufriedenen, gebildeten, die jungen und modernen Russen wieder auf die
Straße treiben. "Wir hätten nie gedacht", sagte Tolonnikowa vor dem
Urteil, "dass die Staatsmacht so unglaublich dämlich ist".
Das harte Urteil gegen die Punk-Band »Pussy Riot« zeigt, wie weit
das autoritäre Russland noch von demokratischen Zuständen entfernt ist.
»Väterchen Russland« ist auch aus einer langen Tradition heraus immer
noch ein demokratie- und rechtsfernes Land. Es folgt eher dem Prinzip
von
Fjodor Dostojewski, nach dem der
Schuld die Sühne und dem
Verbrechen die Strafe zu folgen hat.
Weblinks:
Frontfrau prophezeit Putin "heißen Herbst" -
www.stern.de
Frauen Punkband Pussy Riot -
www.stern.de
Garry Kasparov Protest - Chessdom-Portal
www.chessdom.com
Pussy Riot - Wikipedia
Nadeschda Tolokonnikowa - Wikipedia
Der Mann ohne Gesicht: Wladimir Putin
Blog-Artikel:
Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk
»Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« von Alexander Solschenizyn
Ein Tag aus dem Leben der Nadeschda Tolokonnikowa