Freitag, 4. Dezember 2020

Valéry Giscard d'Estaing ist tot

Valéry Giscard d'Estaing ist tot

Der frühere französische Präsident Valéry Giscard d'Estaing ist tot. Er starb am Abend im Alter von 94 Jahren "umgeben von seiner Familie" auf seinem Anwesen in der Gemeinde Authon, wie sein Umfeld mitteilte. Sein Tod steht nach Angaben der Familie mit einer Covid-19-Erkrankung in Zusammenhang.

Der ehemalige Präsident führte Frankreich zwischen 1974 und 1981 und galt als politischer Macher. Schon bald nach seinem Amtsantritt begann er das verstaubte Frankreich zu reformieren. Valéry Giscard d'Estaing kam im Februar 1926 in Koblenz zur Welt, als die Stadt noch unter französischer Besatzung stand. Sein Vater war Teil der französischen Besatzungsarmee, wurde aber kurz nach seiner Geburt zurück in die Heimat versetzt.

Als Sohn aus bürgerlichem Hause wuchs Giscard d'Estaing in Frankreich auf, absolvierte die Elite-Kaderschmieden Polytechnique sowie die Nationale Hochschule für Verwaltung ENA und machte dann schnell politisch Karriere: Mit nur 29 Jahren wurde er Abgeordneter und mit 36 Jahren Frankreichs jüngster Wirtschafts- und Finanzminister, später dann im Alter von 48 Jahren der bis dahin jüngste Präsident der Nachkriegs-Republik.

Giscard d'Estaing verband eine besondere und enge Freundschaft mit dem früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt, mit dem er nahezu zeitgleich die Regierungsgeschäfte ausübte. Die beiden Politiker wurden zu Weggefährten. Sie festigten die deutsch-französische Freundschaft und setzten sich für die europäische Einigung ein. Als die Stadt Koblenz Valéry Giscard d'Estaing im Oktober 2006 zum Ehrenbürger ernannte, hielt Helmut Schmidt die Laudatio.

Zusammen mit Valéry Giscard d'Estaing rief Helmut Schmidt den Weltwirtschaftsgipfel 1975 ins Leben. Dieser wurde als informelles Koordinierungsgremium für Krisenzeiten eingeführt. Teilnehmer des ersten Treffens auf Schloss Rambouillet waren die Regierungschefs aus Italien, Japan, Großbritannien und den USA.

Weblink:

Koblenz trauert um Ehrenbürger Giscard d'Estaing - www,swr.de

Valéry Giscard d'Estaing: Frankreichs Ex-Präsident ist tot - www.spiegel.de/politik

Französischer Ex-Präsident Giscard d'Estaing gestorben - www.faz.net
Blog-Artikel:

Helmut Schmidt ist tot - Torpedo-Blog

Biografie:

Macht und Leben Macht und Leben von Valery Giscard d'Estaing

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Sturgeons Vision von Schottlands Unabhängigkeit


Die schottische Regierungschefin Sturgeon hat sich auf dem Online-Parteitag ihrer Partei für die Unabhängigkeit stark gemacht. Die SNP ist eine linksliberale Partei, die eine im Grunde sozialdemokratische Politik betreibt. Sie steht für ein Schottland, das die schottische Identität betont, zugleich aber auch weltoffen ist und Menschen integriert, die in Schottland leben und arbeiten wollen. Sozialdemokratische Politik im besten Sinne des Wortes also: Die eigene kulturelle Identität bewahren, ohne sich oder andere auszugrenzen. Also sich und anderen die Chance zu geben, miteinander und voneinander dazuzulernen, unbelastet irgendwelcher "historischer" Ressentiments.

Frau Sturgeon liegt offensichtlich richtig mit ihrer Einschätzung, dass die in Schottland nicht möglich ist, solange es sich der „Richtlinienkompetenz“ einer formal übergeordneten Institution (des Vereinigten Königreichs, dessen Mitglied es ist) unterordnen muss, deren Regierung den eigenen fortschrittlich-humanitären Prinzipien genau Zuwiderlaufende durchzusetzen bzw. für allgemeinverbindlich zu erklären versucht.

Man wird in Schottland alles daran setzen, um noch mehr Macht für die SNP zu bekommen und eines ist klar, wenn die SNP die Macht in Schottland hat, dann hat Boris Johnson nicht mehr viel Optionen und wird zustimmen müssen. So kann man perfekt Druck auf die Zentralregierung in London machen. Über kurz oder lang wird es ein erneutes Referendum geben. Doch bereits für ein neues Referendum gibt es große Hürden.

Schottland

Dass Schottland von Großbritannien unabhängig werden will, ist gut zu verstehen, bei der Politik, die Premier Boris Johnson veranstaltet und das Königreich an den Abgrund führt. Aber der Weg ist weit, steinig und mit viel Ärger verbunden.

Die stolzen Schotten sind nicht erst seit William Wallace dafür bekannt, dass sie sich insbesondere von England dominiert und unterdrückt fühlen. Ganz gleich also, wer in der Downing Street 10 sitzt. Kein Premier wird die Schotten so einfach ziehen lassen.

Nicola Sturgeon macht es nur anders als wie noch vor rund tausend Jahren. Sie zieht nicht mit Breitschwert gegen Johnson und seine Mannen auf, sondern versucht es auf demokratischem Wege. Sie fragt einfach die Schotten. Und das ist durchaus legitim und sollte in einer demokratischen Gesellschaft auch möglich sein.

Am Ende wird sich der von Johnson eingeschlagene politische Kurs wohl rächen. Der Austritt aus der EU, durchgesetzt vor allem mit Lügen und Betrügereien, kostet das Vereinigte Königreich seine Integrität. Wenn Schottland geht, dann wird es als nächstes Nordirland sein. Und dann? Dann ist England mit Wales übrig. Ein Verbund, wie er einmal vor Jahrhunderten begann. - Ein Treppenwitz der Geschichte - und Johnson wird daran Schuld sein!

Mittwoch, 25. November 2020

Parlamentarische Abstimmung von Corona-Maßnahmen


In der Corona-Krise ist das Land bisher durch Verordnungen regiert worden, die auf präsidialen Sitzungen der Ministerpräsidenten unter Führung und Einbindung der Bundekanzlerin getroffen wurden. Nun hat das Parlament die Änderung des bestehenden Infektionsschutzgesetzes zu entscheiden. Im Parlament werden in der Corona-Krise Entscheidungen wieder demokratisch durch parlamentarische Abstimmung getroffen.

Die von der Bundesregierung bislang gepflegte Praxis, dass die Corona-Politik – angefangen bei den gesetzlichen Regelungen bis hin zu den Verordnungen – von einem Gremium bestimmt wird, was in dieser Form in unserer Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Es ist ein Zirkel, bestehend aus der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten der Länder, der sich unabhängig, sozusagen wie eine im freien Raum schwebende Regierung, gesetzgeberisch betätigt. So etwas gibt es nach der Verfassung nicht. Seine Existenz verstößt gegen das Demokratieprinzip und ist auch mit dem Föderationsprinzip nicht vereinbar.

Die vorher getroffenen Corona-Maßnahmen sind nicht zur parlamentarischen Abstimmung gelangt. Das Problem ist doch augenscheinlich: Demokratie wird eingeschränkt und noch mehr Macht in die Hand weniger gegeben. Die ganzen Aktionen - ob sinnvoll oder nicht, darf jeder selbst entscheiden - zeigen aber doch aktuell leider nur die Unfähigkeit des Rechtsstaates und auch, daß oftmals die Judikative vor der Legislative "einknickt", obwohl massenhaft Grundrechte beschnitten werden.

Damit wird doch ein Grundpfeiler aller moderner Staaten ausgehöhlt: will der Staat eine Maßnahme erlassen, die in ein Grundrecht eingreift, so muss er in einem Verfahren der Rechtsstaatlichkeit eine mehrstufige Prüfung vornehmen. Erst hat er zu prüfen, ob die Maßnahme zur Erreichung des von ihm verfolgten Zwecks, der legitim sein muss, überhaupt geeignet ist. Daran scheiterten bereits einige der Rechtsverordnungen. Dann hat er zu prüfen, ob die Maßnahme erforderlich ist, das heißt, ob der Zweck nicht durch eine mildere Maßnahme ebenso erfüllt werden kann. Das versucht man nun durch das Gesetz so einfach wegzuwischen und zu zementieren.