Montag, 5. Januar 2015

Soziologe Ulrich Beck gestorben

Ulrich Beck
Ulrich Beck, der wohl bekannteste zeitgenössische deutsche Soziologe, ist am 1. Januar im Alter von 70 Jahren gestorben. Ulrich Beck war einer der bedeutendsten Soziologen und Risikoforscher weltweit. Seine Themen trafen den Zeitgeist, fanden breiten Widerhall in der deutschen Mittelschicht. Ulrich Beck hat die deutsche Soziologie geprägt. Mit seinen Werken lieferte er eine fundierte soziologische Gegenwartsdiagnose. Sein 1986 erstmals veröffentlichtes Buch »Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne« wurde zu einem Bestseller. Der darin geprägte Begriff der Risikogesellschaft machte ihn international und weit über akademische Kreise hinaus bekannt. Ulrich Beck war seit vielen Jahren der meistzitierte und bekannteste Soziologe, und das weit über Deutschland und den akademischen Bereich hinaus. Dem Soziologen ist es mit seinen modernen Zeitdiagnosen gelungen, mit seinen jeweiligen Themen den Nerv der Zeit zu treffen. Ulrich Beck wurde am 15. Mai 1944 in Stolp in Hinterpommern geboren. Nach seinem Studium der Soziologie, Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaft in München promovierte er dort im Jahr 1972. Sieben Jahre später wurde er im Fach Soziologie habilitiert. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse galt dem Grundlagenwandel moderner Gesellschaften, insbesondere im Zeichen der Globalisierung. Er beschäftigt sich mit den daraus erwachsenden theoretischen, empirischen und methodologischen Fragen sowie den Konsequenzen und Risiken, die dieser Wandel für Wirtschaft, Politik, Kultur und Massenmedien nach sich zieht. Der Professor für Soziologie prägte den Begriff der Risikogesellschaft. Ulrich Beck lieferte in seinem 1986 erschienen Buch »Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne« (1986) mit seiner Konzeption der modernen Gesellschaft des späten zwanzigsten Jahrhunderts eine fundierte eine soziologische Gegenwartsdiagnose. Darin thematisierte er die selbst produzierten Gefährdungslagen der modernen Gesellschaft, die sich den bestehenden Sicherungsmechanismen des Staates entziehen. Mit dem Bestseller, der in mehr als 35 Sprachen übersetzt wurde, wurde Beck weit über die Fachgrenzen hinaus bekannt. Zwanzig Jahre später erneuerte und erweiterte er seine Zeitdiagnostik in dem Buch »Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit« (2007). Darin beschrieb er diese als globale Risiken mit den vier Merkmalen Entgrenzung, Unkontrollierbarkeit, Nicht-Kompensierbarkeit und Nichtwissen. Der überzeugte Europäer Ulrich Beck forderte als politische Konsequenz aus der Globalisierung überstaatliche Autoritäten zur Bändigung global entfesselter (Markt-)Kräfte und regte die Bildung multinationaler Weltbürger-Parteien an. Als die Finanzkrise 2010 in eine europäische Staatsschuldenkrise mündete, verfasste Beck 2012 mit dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit das Manifest »Wir sind Europa!«, das ein »Freiwilliges Europäisches Jahr« für alle Altersgruppen propagierte, mit dem Ziel, Europa im tätigen Miteinander seiner Bürger "von unten" neu zu gründen. Weblinks: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne
Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne
von Ulrich Beck Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit
Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit
von Ulrich Beck

Sonntag, 4. Januar 2015

»Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?« von Christoph Butterwegge

Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?
Hartz IV und die Folgen:
Auf dem Weg in eine andere Republik?


Durch die Hartz-Reformen ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden. Denn dieses Gesetzespaket hat nicht bloß das Armutsrisiko von (Langzeit-)Arbeitslosen und ihren Familien erhöht, sondern auch einschüchternd und disziplinierend gewirkt.

Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften wurden unter Druck gesetzt, Lohn- und Gehaltseinbußen sowie schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Ein ausufernder Niedriglohnsektor gehörte ebenso zu den Folgen wie gesellschaftliche Entsolidarisierungstendenzen und größere soziale Kälte.

»Hartz IV« ist europaweit die berühmteste Chiffre für den Abbau sozialer Leistungen und gilt hierzulande als tiefste Zäsur in der Wohlfahrtsstaatsentwicklung nach 1945: Zum ersten Mal wurde damit eine für Millionen Menschen in Deutschland existenziell wichtige Lohnersatzleistung, die Arbeitslosenhilfe, faktisch abgeschafft und durch eine bloße Fürsorgeleistung, das Arbeitslosengeld II, ersetzt.

Aber mehr als das: Durch die »Agenda 2010« des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, die Hartz-Reformen und besonders das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene »Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt« ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden.

Butterwegge stellt treffend fest, dass hier nicht nur einige Stellschrauben an bestimmten Fördermitteln und Forder-Haltungen „gedreht“ wurden, sondern letztendlich eine „Restrukturierung der Gesellschaft“ von statten ging, in deren Gefolge tradierte Strukturen in Teilen stark bis völlig verändert wurden.

Die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Liberalisierung (und teils starke Ausweitung) der Leiharbeit), die hohe Zunahme des Niedriglohnsektors, vielleicht einfach auch das Denken mancher Industrielenker, möglichst kreativ möglichst wenig Lohn zu zahlen und eine Flankierung dieses Denkens durch nun offizielle politische Rahmungen samt der „enger Fassung“ des einzelnen Transferleistungsempfängers mitsamt einer weitreichenden Offenlegung all seiner persönlichen Verhältnisse.

So stellt Hartz IV , bei allen auch positiven Entwicklungen - denen sich Butterwegge im Buch weitgehend nicht zuwendet, bzw. diese anderes deutet als der Chor der Lobsänger der Reform - für den Wirtschaftsstandort Deutschland, eine tiefe Zäsur im Verständnis und der Praxis des gewachsenen Wohlstandsstaates dar und gilt nicht zu Unrecht als eines der bekanntesten Symbole für Sozialabbau in den westlichen Industrieländer.

Weblink:

Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?
Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?
von Christoph Butterwegge »Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?« von Christoph Butterwegge - Torpedo63-Blog

Samstag, 3. Januar 2015

Zehn Jahre Hartz IV

Hieronymus Bosch Christ carrying the Cross

Hartz IV - so heißt das am 1. Januar 1995 eingeführte Arbeitslosengeld II - die deutsche Antwort auf die verpasste Anpassung an die Globalisierung. Was vorher als Anpassung durch Wirtschaft und Politik versäumt wurde, ist durch die Einführung von Hartz IV nachgeholt worden. Hartz IV bedeutete nichts anderes als das Ende des Sozialstaates wie man ihn bisher kannte.

Hartz IV wurde eingeführt, um einen Kollaps des Sozialssystems zu verhindern, bewirkte vor allem aber eine Umverteilung von unten noch oben und eine systematische Ausplünderung der unterern Gesellschaftsschichten. Vor zehn Jahren nahm das soziale Elend seinen Anfang. Mit ihm wurden die frühere Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige zu einer Grundsicherung zusammengefasst, die gerade mal dem soziokulturellen Existenzminimum entspricht.

Hieronymus Bosch The Garden Of Earthly Delights

Seit zehn Jahren gibt es die Grundsicherung für Arbeitslose namens Hartz IV, das Land leistet sich eine gesellschaftlich verordnete Armut am Rande des Existenzminimums und damit zugleich eine gesellschaftliche Umverteilung von unten nach oben auf dem Wege der Repression. Die Wirksamkeit von Hartz IV muss dabei mit Mitteln der Repression durchgesetzt werden.


"Besonders tief und voll Empörung fühlt man die pekuniäre Störung."

Wilhelm Busch

Betrachtet man Hartz IV als Ausdruck des Versagens der politischen und ökonomischen "Eliten" im Zuge der Globalisierung angemessesene Beschäftigung herbeizuführen, so fällt die Bilanz dieser "Reform" nüchtern aus. Außer der angestreben Kosteneinsparung im Sozialbereich funktioniert an dieser "Reform" nichts, die angestrebten Beschäftigungseffekte dieser "Reform" sind ausgeblieben.

Doch der Schein des "Funktionierens" dieser sog. "Reform" muss von politischen Ideologen unbedingt nach außen aufrechterhalten werden. Solange die Scham der Betroffenen größer ist als deren Wut und Empörung, wird dieses gesellschaftlich verordnete repressive Zwangssystem weiterbestehen. Was muß das wohl für ein Land sein, das Armut gesetlich verordnet?

Weblink:

Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?
Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?
von Christoph Butterwegge

Blog-Artikel:

»Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?« von Christoph Butterwegge - Torpedo63-Blog