Samstag, 31. Januar 2015

Griechen haben die Demokratie entdeckt

Jetzt haben die Griechen doch tatsächlich die Demokratie für sich entdeckt und dabei eine der grundlegendsten demokratischen Erfahrungen gemacht, das Wichtigste nämlich: dass man eine Regierung, die keine Politik für das Volk macht, auch abwählen kann.

Die vom EU-Sparkurs geschädigten Griechen haben den mit den internationalen Kreditgebern vereinbarten Sparkurs und die bisherige Regierung satt und abgewählt. Dieser Wahlausgang kann niemanden überraschen.

Die Höllenfahrt der letzten Jahre haben die EU und Troika-geschädigten Griechen mürbe gemacht. Mit der Trennung von alten Eliten und der Absage an die Sparpolitik der Troika sei nun ein Neuanfang möglich.

„Das griechische Volk hat Geschichte geschrieben”, hatte Tsipras Sonntagabend vor tausenden jubelnden Anhängern in Athen gesagt und ein Ende der „desaströsen Sparpolitik” versprochen.

„Ein Wind des Wechsels weht durch Europas Süden und wird das alte, korrupte, politische Gerüst auslöschen. Zusammen werden wir den Kurs von Europa verändern“, sagte Alexis Tsipras in einer Rede in Spanien.

"Im Regen", schrieb der Nobelpreisträger Elias Canetti, "sehen die Menschen aus, als hätten sie viel vor. In der Sonne sehen die Menschen aus, als verdienten sie es zu leben."

Das Märchen von den faulen Griechen

Die griechischen Staatsschulden sind nicht die Ursache der Krise, sondern lediglich das Symptom einer massiven Schieflage des europäischen Wirtschaftssystems.

Von 2010 bis 2012 erhielt Griechenland 188 Milliarden Euro Hilfskredite. Davon dienten lediglich 5 (fünf!) Milliarden Euro zur Finanzierung des griechischen Staatshaushalts. Den „Rest“ erhielten Banken, Hedgefonds und Spekulanten, die griechische Staatsanleihen gekauft hatten. Durch diese Hilfskredite übernahmen die europäischen Steuerzahler und -zahlerinnen rund 90 % der Haftung, während Banken, Hedgefonds und Spekulanten nicht nur ihre Risiken loswurden, sondern teilweise auch noch Renditen von bis zu 200% kassierten.

„Natürlich trug die griechische Politik mit ihrer teilweise unseriösen Ausgabenpolitik eine gehörige Teilschuld an der Schuldenkrise des Landes. Sowohl die Finanzmärkte als auch die deutsche Industrie profitierten vom hellenischen Schlendrian jedoch ganz gewaltig. Der exportfixierten deutschen Industrie kam die finanzpolitische Nachlässigkeit der Südeuropäer jahrelang gleich in doppelter Weise gelegen. Zum Einen schuf die dadurch erzeugte Kaufkraft einen profitablen Markt für deutsche Exportprodukte, zum Anderen ist die damit einhergehende Schwächung des Euros für ein Exportland wie Deutschland von Vorteil. Der deutsche Exportboom des letzten Jahrzehnts wäre ohne den Schlendrian unserer Euronachbarn so nie möglich gewesen.

Außenhandelsüberschüsse lassen sich nur dann realisieren, wenn ein anderes Land Außenhandelsdefizite aufweist. Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik müsste Wert darauf legen, dass innerhalb der Eurozone keine größeren Leistungsbilanzdefizite entstehen können. Man kann nicht über Jahre hinweg immer mehr auf Pump an seine Nachbarn verkaufen und sich dann wundern, wenn irgendwann die Kreditlinien erschöpft sind. Den Nachbarn dann selbst neue Kredite zu geben, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.“ (Jens Berger bei heise.de in Auszügen)

Die Forderungen der so genannten Troika (Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäische Kommission) nach massiver Ausgabenverringerung an die griechische Regierung haben die Wirtschaftskrise in Griechenland verschärft. Die Folgen der massiven Kürzungen der Löhne und Gehälter, der Renten und Sozialleistungen in Griechenland und die Entlassung von tausenden Angestellten und Beamten des Staates sind katastrophal: 2014 stieg die Arbeitslosigkeit auf 28%, von den 15 – 24jährigen waren 62% arbeitslos.

Kein Wunder also, dass die neue griechische Regierung diesen Weg nicht weiter gehen will.

Die neue griechische Regierung meint es Ernst

Die neue griechische Regierung meint es Ernst und bietet der permanent gepredigten Alternativlosigkeit die Stirn. Denn die systematisch betriebene Verarmung eines Landes hat mit Rettungspolitik nichts zu tun.

Das kleine Griechenland treibt seinen Rettern die Zornesröte ins Gesicht. Da wäre zunächst einmal die Regierungsbildung zu nennen, die entgegen aller demokratischen Gepflogenheiten, bereits einen Tag nach der Wahl als abgeschlossen gelten konnte.

Wie geht denn so was, fragte sich der Rest der europäischen Wertegemeinschaft. Weiß doch jeder, dass unter normalen Bedingungen lange zwischen den Koalitionspartnern verhandelt werden oder aber irgendetwas Geschäftsunfähiges über den Ablauf der Legislaturperiode hinaus im Amt bleiben müsse.

Als nächstes machte sich die neugewählte Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras daran, die eigenen Wahlversprechen in die Tat umzusetzen. Auch das schockte die übrige europäische Wertegemeinschaft, die demokratische Wahlen lediglich als bizarre Showveranstaltung begreift.

Hierzulande ist es bekanntlich unfair, Politiker an den Versprechen zu messen, die sie vor einer Wahl abgegeben haben, sagte einmal der große Spezialdemokrat Franz Müntefering. Diesem Offenbarungseid haben sich schließlich alle politischen Lager angeschlossen. Deshalb kann der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger heute auch mit ernster Mine behaupten, das Verhalten der griechischen Regierung sei frech und unverschämt..

Richard von Weizsäcker gestorben

Richard von Weizsäcker war der Vorzeigedemokrat der alten Bundesrepublik und genoß überall hohes Ansehen. Dabei wirkte er schon immer wie "aus der Zeit gefallen" und irgendwie anders. Wo andere Politiker sich eher gleichen, vermochte er aus diesen herauszuragen. Er war als Adelssproß anders sozialisiert als andere Politiker aus der Riege der Union: Von Weizsäcker war ein geistiger Aristokrat und ein angenehm vergeistigter Demokrat. Er wurde mit 50 Jahren erstmals in ein politisches Amt gwählt. Dass er kein politisches Amt in Bonn ausübte bzw. übernommen hat, war daher kein Zufall. Keiner hätte sich von Weizsäcker in Bonn als Minister in der Union verstellen können. Richard von Weizsäcker arbeitete und handelte aus Überzeugung und weniger aus politischem Kalkül. Manchmal wirkte er wie aus einer anderen Zeit. Er war der einzige, der nach der Machtübernahme der Union 1982 dem Anspruch auf eine geistig-moralische Wende Rechnung tragen konnte. Davon gibt seine Rede zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1985 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn ein beredtes Zeugnis ab. Der Text zu seiner Rede zum Nachlesen: "Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung" - www.sueddeutsche.de/politik

Das Märchen von den faulen Griechen

Die griechischen Staatsschulden sind nicht die Ursache der Krise, sondern lediglich das Symptom einer massiven Schieflage des europäischen Wirtschaftssystems.

Von 2010 bis 2012 erhielt Griechenland 188 Milliarden Euro Hilfskredite. Davon dienten lediglich 5 (fünf!) Milliarden Euro zur Finanzierung des griechischen Staatshaushalts. Den „Rest“ erhielten Banken, Hedgefonds und Spekulanten, die griechische Staatsanleihen gekauft hatten. Durch diese Hilfskredite übernahmen die europäischen Steuerzahler und -zahlerinnen rund 90 % der Haftung, während Banken, Hedgefonds und Spekulanten nicht nur ihre Risiken loswurden, sondern teilweise auch noch Renditen von bis zu 200% kassierten.

„Natürlich trug die griechische Politik mit ihrer teilweise unseriösen Ausgabenpolitik eine gehörige Teilschuld an der Schuldenkrise des Landes. Sowohl die Finanzmärkte als auch die deutsche Industrie profitierten vom hellenischen Schlendrian jedoch ganz gewaltig. Der exportfixierten deutschen Industrie kam die finanzpolitische Nachlässigkeit der Südeuropäer jahrelang gleich in doppelter Weise gelegen. Zum Einen schuf die dadurch erzeugte Kaufkraft einen profitablen Markt für deutsche Exportprodukte, zum Anderen ist die damit einhergehende Schwächung des Euros für ein Exportland wie Deutschland von Vorteil. Der deutsche Exportboom des letzten Jahrzehnts wäre ohne den Schlendrian unserer Euronachbarn so nie möglich gewesen.

Außenhandelsüberschüsse lassen sich nur dann realisieren, wenn ein anderes Land Außenhandelsdefizite aufweist. Eine nachhaltige Wirtschaftspolitik müsste Wert darauf legen, dass innerhalb der Eurozone keine größeren Leistungsbilanzdefizite entstehen können. Man kann nicht über Jahre hinweg immer mehr auf Pump an seine Nachbarn verkaufen und sich dann wundern, wenn irgendwann die Kreditlinien erschöpft sind. Den Nachbarn dann selbst neue Kredite zu geben, ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.“ (Jens Berger bei heise.de in Auszügen)

Die Forderungen der so genannten Troika (Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäische Kommission) nach massiver Ausgabenverringerung an die griechische Regierung haben die Wirtschaftskrise in Griechenland verschärft. Die Folgen der massiven Kürzungen der Löhne und Gehälter, der Renten und Sozialleistungen in Griechenland und die Entlassung von tausenden Angestellten und Beamten des Staates sind katastrophal: 2014 stieg die Arbeitslosigkeit auf 28%, von den 15 – 24jährigen waren 62% arbeitslos.

Kein Wunder also, dass die neue griechische Regierung diesen Weg nicht weiter gehen will.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Griechenland hat die "desaströse Sparpolitik" abgewählt

Fahnen vor dem Parlament in Athen

Die Griechen haben den mit den internationalen Kreditgebern vereinbarten Sparkurs und die bisherige Regierung satt und abgewählt.

Nach seinem überwältigenden Wahlsieg stimmt Linksbündnis-Chef Alexis Tsipras Griechenland auf eine Abkehr von der harten Sparpolitik ein: Die Wähler haben die Troika aus Vertretern der EZB, des IWF und der EU-Kommission für "beendet" erklärt. Das Linksbündnis Syriza erhielt aber - trotz erdrutschartigem Sieg - keine absolute Mehrheit im Parlament und ist auf einen Koalitionspartner angewiesen. Damit beginnt die Zähmung des radikalen Linksbündnisses.

Auch Syriza strebt einen ausgeglichenen Haushalt und eine Konsolidierung nach eigenen Vorstellungen an. Zur Beendigung des bisherigen Sparkurses strebt das Linksbündnis dabei den Schulterschluss mit den anderen Krisenländern der Eurozone an - gegen Berlin und das Spardiktat.

Literatur:

Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise
Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise
von Yanis Varoufakis

Dienstag, 27. Januar 2015

Hollande - Der geschwächte Präsident

Die französische Wirtschaft erzeugt aufgrund mangelnder Produktivität immer mehr Arbeitslose. Frankreichs Wirtschaft mangelt es an Produktivität im internationalen Wettbewerb viele Unternehemen arbeiten nicht rentabel genug. Angesichts der anhaltenden Wirtschaftsschwäche hatte Hollande bereits Reformen angekündigt. Er hatte mehrfach erklärt, die Zahl der Menschen ohne Arbeit in Europas zweitgrößter Volkswirtschaft werde zum Jahresende hin sinken.

In Frankreich waren im Dezember so viele Menschen arbeitslos wie noch nie. Die Zahl stieg um weitere rund 10.000 auf 3,303 Millionen. Damit hat Präsident François Hollande seine Zusagen nicht einlösen können. Er hatte mehrfach erklärt, die Zahl der Menschen ohne Arbeit in Europas zweitgrößter Volkswirtschaft werde zum Jahresende hin sinken. Die hohe Zahl der Arbeitslosen ruft die Gewerkschaften auf den Plan.

Der Protest gegen Hollande formiert sich immer weiter. Die Initiatoren dieser Protestwelle haben am Sonntag einen <a href="http://www.taz.de/Proteste-in-Frankreich-gegen-Hollande/!131785/" target="blank">„Tag des Zorns“</a> ausgerufen und sprachen von 160.000 Teilnehmern. Die Polizei gab die Zahl der Demonstranten mit 17.000 an. Bei einem Protestmarsch gegen den französischen Präsidenten Hollande wurden 250 Teilnehmer festgenommen. Es war zu Ausschreitungen gekommen.

Die Demonstranten, unter denen auch katholische Gegner der Homo-Ehe, Anhänger des umstrittenen Komikers Dieudonné, Nationalisten und EU-Gegner waren, forderten den Rücktritt des sozialistischen Staatschefs, dem sie vorwarfen, das Land „in den Abgrund“ zu treiben. <!-- Sie bilden eine Protestwelle. -->

Der geschwächte Präsident Hollande steht seit vielen Monaten politisch stark unter Druck. Seine Popularitätswerte sind auf einem extrem niedrigen Stand - auch im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern. Zuletzt kamen private Probleme hinzu.

Weblink:

<a href="http://www.taz.de/Proteste-in-Frankreich-gegen-Hollande/!131785/" target="blank">„Tage des Zorns“ enden im Knast</a> - Proteste in Frankreich gegen Hollande - www.taz.de

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Die anhaltende Wirtschaftsschwäche Frankreichs ist auch eine Folge der unzureichenden Anpassung der französischen Wirtschaft an die Globalisierung. Frankreich wird den Anforderungen der Globalisierung nicht ausreichend gerecht und hat daher eine hohe Zahl von Arbeitslosen vorzuweisen.

Die Regierung Hollands weist auffallende Parallen zur Regierung Schröders auf. Auch der hatte vollmundig versprochen, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Aber auch Schröders Regierung hatte kein Konzept, der Globalisierung mit vorausschauender Arbeitsmarktpolitik angemessen zu begegnen, um den Globaliserungsprozeß zu steuern.

Als die Arbeitslosen nicht weniger wurden, blieb nur noch der hilflose Verusch, den Sozialstaat zwangsweise zu reformieren, um die Sozialkosten zu drücken. Herausgekommen ist die unselige Hartz IV-Gesetzgebung, ein verfassungswidriges Gesetz und ein mangelbewährtes sinnwidriges Fehlkonstrukt, mit dem die Bevölkerung noch heute traktiert wird.
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