Mittwoch, 29. November 2017

Frankreich steht vor einer marktkonformen Rosskur

Macron

Macron wird als Präsident von Frankreich das Land politisch verändern - womöglich revolutionieren. Wird Macron tatsächlich ausscheren aus den traditionellen Mustern der Politik und Einflußnahme oder gar eine Politik für das Volk machen? Es stellen sich zwei Fragen: Welchen Einfluß auf die Politik wird Macron geltend machen und welchen Einfluß werden die Eliten auf Macron nehmen?

Seine Analyse ist messerscharf: Frankreich ist völlig überreguliert, der Staatssektor beträgt unglaubliche 56%, jeder Änderungsversuch der letzten Jahre wird durch Streiks derer blockiert, die Privilegien zu verlieren haben. Deshalb stagniert die Wirtschaft und bleibt die Arbeitslosigkeit hoch. Es hat zu viele Verwaltungsebenen (Gemeinde, Departement, Region, Bund), die viel zu teuer und personalintensiv sind.

Die Stärke der deutschen Wirtschaft soll uns anstacheln, nicht aber in Schrecken versetzen.

Georges Pompidou


Macrons marktkonforme Rosskur besteht in einer Reform und Liberalisierung der Wirtschaft. Macron stellt das Land vom Kopf auf die Füße. Alle Betriebe dürfen nun an der Basis individuelle Betriebsvereinbarungen zwischen Unternehmer und Angestellten treffen. 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst werden eingespart, indem die Pensionierungen nicht nachbesetzt werden. Jede Gemeinde darf mit eigenen Lösungen experimentieren, die Vorgaben aus Paris werden minimiert. Ab 2019 soll es statt 38 nur mehr eine Pensionsbemessung geben, alle Sonderprivilegien fallen weg. Die Kapitalertragssteuer soll von 62 auf 30% fallen, damit die Unternehmer wieder mehr investieren.

Nicht Macrons geldgieriger Charakter, sondern seine marktwirtschaftskonforme Denkungsart ist der Grund dafür, dass des Präsidenten Politik den Kapitalinteressen dient. Um Frankreichs marodes Marktwirtschaftssystem so zu sanieren, dass französische Waren auf den Märkten dieser Welt konkurrenzfähig sind, will der wirtschaftsnahe Macron eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik exekutieren, welche die Lohnstückkosten der produzierten Waren erheblich verringert.

Zu diesem unternehmerfreundlichen Zweck soll der Arbeitsmarkt derart flexibilisiert werden, dass die französischen Lohnabhängigen für weniger Geld mehr arbeiten müssen. Gestört werden könnte die präsidiale Rosskur allerdings durch die kommunistische Gewerkschaft CGT, indem sie die Lohnabhängigen dergestalt organisiert, dass jene ihr Interesse an einem guten Leben gegen die systemischen Imperative der marktwirtschaftlichen Produktionsweise - und damit gegen ihren präsidialen Vollstrecker - geltend machen.

Literatur:

Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
von Ulrike Guérot und‎ Elisabeth Donat


Blog-Artikel:

Parlamentswahl in Frankreich - Macron startet durch

Macron wird neuer Präsident in Frankreich

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben



Samstag, 25. November 2017

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander



Per Molander stammt aus einem Land mit einem Wohlfahrtsstaat, in dem das Vermögen durch Umverteilung von oben nach unten verteilt wird. Dies bedeutet Besteuerung des Reichtums und Bekämpfung der Armut. Die Ungleichheit hat strukturelle Ursachen und eine Anatomie.

Per Molander ist ein schwedischer Politik-Berater und -Analyst und Autor, der zu Verteilungsfragen forscht und publiziert. Analytisch und realpolitisch befasst sich Molander mit konkreten Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, wie, weshalb in keiner Gesellschaft absolute Gleichheit herrscht? Warum in den meisten OECD-Ländern die Einkommensunterschiede wachsen? Wie lässt sich mehr gesellschaftliche Gleichheit herstellen? Molander verfasste in Schweden mehrere Bücher über politische Fragen für breiteres Publikum.

Angeregt durch die Theorie des Nash-Gleichgewichts, auf die er bei seinem Studium stiess, befasste er sich mit dem Phänomen der Ungleichheit in der Gesellschaft. Er sieht darin eine Begründung dafür, dass häufig in Gesellschaften "Stärkere stärker, Schwächere schwächer, Reiche reicher, Arme ärmer" (Susanne Mauthner-Weber) werden.

Der schwedische Mathematiker Per Molander, ein Experte für Verteilungsfragen, analysiert in seinem Buch »Die Anatomie der Ungleichheit. Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« die im Untertitel genannten Fragen. Auch wenn seine Analyse etwas sprunghaft und unstrukturiert wirkt, wird doch anschaulich deutlich, dass die Entwicklung zwar besondere Gründe hat, sie aber durch politische Entscheidungsprozesse sehr wohl veränderbar ist.

»Die Ungleichheit ist die drängendste Frage unserer Zeit.«

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander geht der Frage nach, ob es eine Anatomie der Ungleichheit gibt. Für Per Molander gibt es eine Anatomie der Ungleichheit. Ungleiche Verhältnisse entwickeln sich in jeder Gesellschaft, unabhängig von den Fähigkeiten und dem Arbeitswillen der Menschen, sagt der Mathematiker Per Molander. Ungleichheit ist natürlich – aber sie ist kein Naturgesetz und kann mit den richtigen politischen Maßnahmen überwunden werden.

Der glühende Sozialdemokrat behauptet darin, Ungleichheit gehöre zum Menschsein. Wissenschaftlich fundiert und mit vielen anschaulichen Beispielen eröffnet Molander eine ganz neue Perspektive auf eines der weltweit größten Probleme und zeigt auch Lösungswege. Denn handeln wir nicht, geht die Schere zwischen Arm und Reich zwangsläufig immer weiter auseinander, was schließlich zum Verlust jeglichen Vertrauens innerhalb der Gesellschaft führt – zum Schaden aller.

Das reichste Prozent besitzt zurzeit etwa die Hälfte und das reichste Zehntel der Gesellschaft zwischen 80 und 90% des gesamten Vermögens, Tendenz stark steigend. Wir bewegen uns immer mehr in Richtung der extremen Vermögens- und Einkommensungleichheit der Zeit bis zum 19. Jahrhundert - dem Feudalismus.

Gegen den Widerstand der Begüterten von damals konnte keine fairere Verteilung durchgesetzt werden, dazu bedurfte es zweier Weltkriege und einer Weltwirtschaftskrise, in denen Vermögen vernichtet bzw. vom Staat für die Kriegsführung eingezogen wurde. Die Wirren hinterließen nach 1945 in Europa tabula rasa: nur Arme, kaum Ungleichheit. Die vergleichsweise hohen Steuern blieben und ließen somit die Implementierung eines Sozialstaates zu, womit sich mit dem wirtschaftlichen Aufholprozess der Nachkriegszeit ("Wirtschaftswunder") eine relativ wohlhabende Mittelschicht entwickeln konnte --> eine historische Einmaligkeit, mit der es aber bald zu Ende sein könnte. Seit den 80er-Jahren wurde v.a. in den USA und UK die Besteuerung von hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften schrittweise reduziert.

Folgerichtig explodiert seitdem die Vermögenskonzentration wieder und droht schlimmere Ausmaße anzunehmen als vor dem Ersten Weltkrieg. Sie droht durchaus wieder feudale Züge anzunehmen.

Auch in Kontinentaleuropa gibt es diese Tendenzen, die EU-Staaten unterbieten sich in einem irrwitzigen Steuerwettbewerb geradezu um die Gunst der Vermögen und Megakonzerne, am Ende auf Kosten der 99%. Das führt gezwungenermaßen zum Abbau des Sozialstaates, zu einer Erosion der Mittelschicht und dazu, dass wenige Prozent praktisch alles besitzen und der Rest quasi nichts. Eine Finanzoligarchie ist im Entstehen, man erkennt ja bereits die Anfänge. Wie lässt sich sonst erklären, dass Brausehersteller oder Ölscheichs F1-Teams, Airlines, Fußballmannschaften und Ländereien besitzen, die Politik vor sich hertreiben und für einen brasilianischen Ballkünstler 222 Mio. € ausgeben können? Das ist 7.400mal das europäische Durchschnittsgehalt! Da ist irgendetwas aus den Fugen geraten.


Literatur:


Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können
von Per Molander


Weblinks:

Per Molander: "Die Anatomie der Ungleichheit" - So entsteht Armut ...

"Die Anatomie der Ungleichheit" - 3Sat

Dienstag, 21. November 2017

Der neue Klimaretter kommt aus Paris

Macron

Der neue Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel heißt Emmanuel Macron. Das Klima ist durch Merkel nicht mehr zu retten, weil Merkel stets vage ist und nichts für den Klimaschutz tut.

Der neue Retter sprach direkt nach der Kanzlerin. Ein Weiter-so in der Klimapolitik würde bedeuten, dass „viele Völker, die hier vertreten sind, bis 2100 verschwinden würden. Dazu sind wir nicht bereit“, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und forderte, „klare Zeichen“ zu setzen.

Nur so könnten die in Paris formulierten Klimaziele überhaupt noch erreicht werden. Dass es die französische Regierung damit ernst meint, hat sie bereits bewiesen: Bis 2021 sollen alle Kohlekraftwerke im Land stillgelegt werden. Das Aus des Verbrennungsmotors wird 2040 besiegelt sein. Auch müsse Europa das von den USA gerissene Loch bei der Finanzierung der Klimaforschung füllen.

Die Rede der deutschen Regierungschefin war international wie national mit Spannung erwartet worden: Zum einen gilt Deutschland in vielen Ländern als Klima-Vorreiter (obwohl es seine selbstgesteckten Klima-Ziele aller Voraussicht nach krachend verfehlen wird), zum anderen ist gerade die künftige Klimaschutzpolitik einer der Knackpunkte für eine mögliche Jamaika-Koalition.

Doch statt die in Bonn versammelte Weltgemeinschaft aufzurütteln und sich mit klaren Aussagen zum Klimaschutz zu bekennen, kamen von Merkel nur Allgemeinplätze. Der Klimawandel sei für die Welt „eine Schicksalsfrage“. Es gehe beim Klimaschutz um „Vertrauen und Verlässlichkeit“. Die Industrienationen trügen eine „historische Verantwortung“. Konkreter wurde die Kanzlerin nicht. Eine klare Aussage zum Ausstieg aus der Kohle? Fehlanzeige!

Für den 12. Dezember, den Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Abkommens vor zwei Jahren, hat Macron zu einer weiteren Klimakonferenz in die französische Hauptstadt eingeladen. Dort soll es um die Finanzierung von Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an klimatisch bedingte Veränderungen gehen. Der wahre Klima-König sitzt künftig in Paris, nicht in Berlin.