Freitag, 1. Dezember 2017

Die SPD sucht den dritten Weg

Martin Schulz

Regierungsbildung ist ein schwieiriges Geschäft und je mehr Parteieen daran beteiligt sind, desto größer die Schwierigkeiten. Eigentlich wollten sich die Sozialdemokraten in der Opposition erneuern. Doch nach dem Scheitern der Sondierungen ist aus Parteichef Schulz' kategorischem "Nein" ein vorsichtiges "Vielleicht" geworden - sofern die Basis zustimmt.

Aus der klaren Linie und dem klaren Auftrag der SPD wird wohl nichts mich als Wähler macht das traurig. Nicht mal mehr auf die Worte und Versprechen nach der Wahl kann man sich noch verlassen.

Auch wenn jetztnoch so getan wird als wäre nichts klar. Dass es dazu kommt, ist allerdings längst noch nicht klar. Noch am Montag, wenige Stunden nach dem Abbruch der Sondierungen, hatte Schulz eine Neuauflage der Großen Koalition noch kategorisch ausgeschlossen. Doch eine diskussionsreiche Fraktionssitzung, ein Gespräch mit dem Bundespräsidenten und eine Beratung der Parteiführung später klingt das "Nein" der Sozialdemokraten deutlich weniger hart.

Am Ende ist die SPD platt gemacht und die CDU hat alle konservativen an Gelb oder schlimmer an Blau verloren. Und die Kosten nach außen haben sich verdoppelt, unsere Probleme bleiben liegen weil es Deutschland ja gut geht.

Eine GroKo darf nicht zum Dauerzustand werden. Wenn Frau Merkel keine Regierung bilden kann, dann soll sie zurücktreten und anderen die Möglichkeit geben.

Nochmal vier Jahre ausbremsen von Reformen für Deutschland können wir uns nicht leisten und deshalb sollten auch Neuwahlen eine alternative sein.

Wir haben auch keine Staatskrise, die eine schnelle Regierungsbildung erfordert, um Deutschland zu stabilisieren. Es geht um den langfristigen Erfolg für die Menschen und da schadet eine neue GroKo nur.

Mittwoch, 29. November 2017

Frankreich steht vor einer marktkonformen Rosskur

Macron

Macron wird als Präsident von Frankreich das Land politisch verändern - womöglich revolutionieren. Wird Macron tatsächlich ausscheren aus den traditionellen Mustern der Politik und Einflußnahme oder gar eine Politik für das Volk machen? Es stellen sich zwei Fragen: Welchen Einfluß auf die Politik wird Macron geltend machen und welchen Einfluß werden die Eliten auf Macron nehmen?

Seine Analyse ist messerscharf: Frankreich ist völlig überreguliert, der Staatssektor beträgt unglaubliche 56%, jeder Änderungsversuch der letzten Jahre wird durch Streiks derer blockiert, die Privilegien zu verlieren haben. Deshalb stagniert die Wirtschaft und bleibt die Arbeitslosigkeit hoch. Es hat zu viele Verwaltungsebenen (Gemeinde, Departement, Region, Bund), die viel zu teuer und personalintensiv sind.

Die Stärke der deutschen Wirtschaft soll uns anstacheln, nicht aber in Schrecken versetzen.

Georges Pompidou


Macrons marktkonforme Rosskur besteht in einer Reform und Liberalisierung der Wirtschaft. Macron stellt das Land vom Kopf auf die Füße. Alle Betriebe dürfen nun an der Basis individuelle Betriebsvereinbarungen zwischen Unternehmer und Angestellten treffen. 120.000 Stellen im öffentlichen Dienst werden eingespart, indem die Pensionierungen nicht nachbesetzt werden. Jede Gemeinde darf mit eigenen Lösungen experimentieren, die Vorgaben aus Paris werden minimiert. Ab 2019 soll es statt 38 nur mehr eine Pensionsbemessung geben, alle Sonderprivilegien fallen weg. Die Kapitalertragssteuer soll von 62 auf 30% fallen, damit die Unternehmer wieder mehr investieren.

Nicht Macrons geldgieriger Charakter, sondern seine marktwirtschaftskonforme Denkungsart ist der Grund dafür, dass des Präsidenten Politik den Kapitalinteressen dient. Um Frankreichs marodes Marktwirtschaftssystem so zu sanieren, dass französische Waren auf den Märkten dieser Welt konkurrenzfähig sind, will der wirtschaftsnahe Macron eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik exekutieren, welche die Lohnstückkosten der produzierten Waren erheblich verringert.

Zu diesem unternehmerfreundlichen Zweck soll der Arbeitsmarkt derart flexibilisiert werden, dass die französischen Lohnabhängigen für weniger Geld mehr arbeiten müssen. Gestört werden könnte die präsidiale Rosskur allerdings durch die kommunistische Gewerkschaft CGT, indem sie die Lohnabhängigen dergestalt organisiert, dass jene ihr Interesse an einem guten Leben gegen die systemischen Imperative der marktwirtschaftlichen Produktionsweise - und damit gegen ihren präsidialen Vollstrecker - geltend machen.

Literatur:

Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
Was ist los mit Frankreich?: Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung
von Ulrike Guérot und‎ Elisabeth Donat


Blog-Artikel:

Parlamentswahl in Frankreich - Macron startet durch

Macron wird neuer Präsident in Frankreich

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben

Frankreich steht vor gewaltigen Aufgaben



Samstag, 25. November 2017

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander



Per Molander stammt aus einem Land mit einem Wohlfahrtsstaat, in dem das Vermögen durch Umverteilung von oben nach unten verteilt wird. Dies bedeutet Besteuerung des Reichtums und Bekämpfung der Armut. Die Ungleichheit hat strukturelle Ursachen und eine Anatomie.

Per Molander ist ein schwedischer Politik-Berater und -Analyst und Autor, der zu Verteilungsfragen forscht und publiziert. Analytisch und realpolitisch befasst sich Molander mit konkreten Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, wie, weshalb in keiner Gesellschaft absolute Gleichheit herrscht? Warum in den meisten OECD-Ländern die Einkommensunterschiede wachsen? Wie lässt sich mehr gesellschaftliche Gleichheit herstellen? Molander verfasste in Schweden mehrere Bücher über politische Fragen für breiteres Publikum.

Angeregt durch die Theorie des Nash-Gleichgewichts, auf die er bei seinem Studium stiess, befasste er sich mit dem Phänomen der Ungleichheit in der Gesellschaft. Er sieht darin eine Begründung dafür, dass häufig in Gesellschaften "Stärkere stärker, Schwächere schwächer, Reiche reicher, Arme ärmer" (Susanne Mauthner-Weber) werden.

Der schwedische Mathematiker Per Molander, ein Experte für Verteilungsfragen, analysiert in seinem Buch »Die Anatomie der Ungleichheit. Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« die im Untertitel genannten Fragen. Auch wenn seine Analyse etwas sprunghaft und unstrukturiert wirkt, wird doch anschaulich deutlich, dass die Entwicklung zwar besondere Gründe hat, sie aber durch politische Entscheidungsprozesse sehr wohl veränderbar ist.

»Die Ungleichheit ist die drängendste Frage unserer Zeit.«

»Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können« von Per Molander geht der Frage nach, ob es eine Anatomie der Ungleichheit gibt. Für Per Molander gibt es eine Anatomie der Ungleichheit. Ungleiche Verhältnisse entwickeln sich in jeder Gesellschaft, unabhängig von den Fähigkeiten und dem Arbeitswillen der Menschen, sagt der Mathematiker Per Molander. Ungleichheit ist natürlich – aber sie ist kein Naturgesetz und kann mit den richtigen politischen Maßnahmen überwunden werden.

Der glühende Sozialdemokrat behauptet darin, Ungleichheit gehöre zum Menschsein. Wissenschaftlich fundiert und mit vielen anschaulichen Beispielen eröffnet Molander eine ganz neue Perspektive auf eines der weltweit größten Probleme und zeigt auch Lösungswege. Denn handeln wir nicht, geht die Schere zwischen Arm und Reich zwangsläufig immer weiter auseinander, was schließlich zum Verlust jeglichen Vertrauens innerhalb der Gesellschaft führt – zum Schaden aller.

Das reichste Prozent besitzt zurzeit etwa die Hälfte und das reichste Zehntel der Gesellschaft zwischen 80 und 90% des gesamten Vermögens, Tendenz stark steigend. Wir bewegen uns immer mehr in Richtung der extremen Vermögens- und Einkommensungleichheit der Zeit bis zum 19. Jahrhundert - dem Feudalismus.

Gegen den Widerstand der Begüterten von damals konnte keine fairere Verteilung durchgesetzt werden, dazu bedurfte es zweier Weltkriege und einer Weltwirtschaftskrise, in denen Vermögen vernichtet bzw. vom Staat für die Kriegsführung eingezogen wurde. Die Wirren hinterließen nach 1945 in Europa tabula rasa: nur Arme, kaum Ungleichheit. Die vergleichsweise hohen Steuern blieben und ließen somit die Implementierung eines Sozialstaates zu, womit sich mit dem wirtschaftlichen Aufholprozess der Nachkriegszeit ("Wirtschaftswunder") eine relativ wohlhabende Mittelschicht entwickeln konnte --> eine historische Einmaligkeit, mit der es aber bald zu Ende sein könnte. Seit den 80er-Jahren wurde v.a. in den USA und UK die Besteuerung von hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften schrittweise reduziert.

Folgerichtig explodiert seitdem die Vermögenskonzentration wieder und droht schlimmere Ausmaße anzunehmen als vor dem Ersten Weltkrieg. Sie droht durchaus wieder feudale Züge anzunehmen.

Auch in Kontinentaleuropa gibt es diese Tendenzen, die EU-Staaten unterbieten sich in einem irrwitzigen Steuerwettbewerb geradezu um die Gunst der Vermögen und Megakonzerne, am Ende auf Kosten der 99%. Das führt gezwungenermaßen zum Abbau des Sozialstaates, zu einer Erosion der Mittelschicht und dazu, dass wenige Prozent praktisch alles besitzen und der Rest quasi nichts. Eine Finanzoligarchie ist im Entstehen, man erkennt ja bereits die Anfänge. Wie lässt sich sonst erklären, dass Brausehersteller oder Ölscheichs F1-Teams, Airlines, Fußballmannschaften und Ländereien besitzen, die Politik vor sich hertreiben und für einen brasilianischen Ballkünstler 222 Mio. € ausgeben können? Das ist 7.400mal das europäische Durchschnittsgehalt! Da ist irgendetwas aus den Fugen geraten.


Literatur:


Die Anatomie der Ungleichheit: Woher sie kommt und wie wir sie beherrschen können
von Per Molander


Weblinks:

Per Molander: "Die Anatomie der Ungleichheit" - So entsteht Armut ...

"Die Anatomie der Ungleichheit" - 3Sat

Dienstag, 21. November 2017

Der neue Klimaretter kommt aus Paris

Macron

Der neue Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel heißt Emmanuel Macron. Das Klima ist durch Merkel nicht mehr zu retten, weil Merkel stets vage ist und nichts für den Klimaschutz tut.

Der neue Retter sprach direkt nach der Kanzlerin. Ein Weiter-so in der Klimapolitik würde bedeuten, dass „viele Völker, die hier vertreten sind, bis 2100 verschwinden würden. Dazu sind wir nicht bereit“, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und forderte, „klare Zeichen“ zu setzen.

Nur so könnten die in Paris formulierten Klimaziele überhaupt noch erreicht werden. Dass es die französische Regierung damit ernst meint, hat sie bereits bewiesen: Bis 2021 sollen alle Kohlekraftwerke im Land stillgelegt werden. Das Aus des Verbrennungsmotors wird 2040 besiegelt sein. Auch müsse Europa das von den USA gerissene Loch bei der Finanzierung der Klimaforschung füllen.

Die Rede der deutschen Regierungschefin war international wie national mit Spannung erwartet worden: Zum einen gilt Deutschland in vielen Ländern als Klima-Vorreiter (obwohl es seine selbstgesteckten Klima-Ziele aller Voraussicht nach krachend verfehlen wird), zum anderen ist gerade die künftige Klimaschutzpolitik einer der Knackpunkte für eine mögliche Jamaika-Koalition.

Doch statt die in Bonn versammelte Weltgemeinschaft aufzurütteln und sich mit klaren Aussagen zum Klimaschutz zu bekennen, kamen von Merkel nur Allgemeinplätze. Der Klimawandel sei für die Welt „eine Schicksalsfrage“. Es gehe beim Klimaschutz um „Vertrauen und Verlässlichkeit“. Die Industrienationen trügen eine „historische Verantwortung“. Konkreter wurde die Kanzlerin nicht. Eine klare Aussage zum Ausstieg aus der Kohle? Fehlanzeige!

Für den 12. Dezember, den Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Abkommens vor zwei Jahren, hat Macron zu einer weiteren Klimakonferenz in die französische Hauptstadt eingeladen. Dort soll es um die Finanzierung von Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an klimatisch bedingte Veränderungen gehen. Der wahre Klima-König sitzt künftig in Paris, nicht in Berlin.

Sonntag, 19. November 2017

Angela Merkel auf dem Weg nach Jamaika


Die straffen Segel setzen und mit schwarz-gelb-grüner Takelage gehts los nach Jamaika. Doch die Schiffsreise mit den vielen Leichtmatrosen an Bord ist beschwerlich. Das voll beladene Narrenschiff kommt kaum voran und die Kapitänin an Deck wirkt eigenartig müde.Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.

"Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles." 

Friedrich Hölderlin

Wenn die Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Berlin abgeschlossen sind, wird klar sein, wie Deutschland in Zukunft regiert wird. Aber auch, welche Richtung die Kanzlerin mit der Union eingeschlagen hat. Ihre Biografie zeigt: Sie kann sich sowohl einen grünen als auch einen liberalen Anstrich geben.

Unter dem Druck der Stimmenverluste bei der Bundestagswahl brechen innere Verwerfungen auf – und Angela Merkel versucht, ihrer Partei durch die Rückbesinnung auf die eigenen Ursprünge Orientierung zu geben.

"Konservativ, christlich-sozial und liberal.
Diese drei Wurzeln zusammenzuhalten, das ermöglicht die Volkspartei."


Weblink:

Angela Merkel auf dem Weg nach Jamaika - www.deutschlandfunk.de

Samstag, 18. November 2017

Der Klimagipfel in Bonn ist beendet


Der Klimagipfel in Bonn ist beendet. Die Mammut-Beratungen brachten ein Abschlussdokument hervor, das Hunderte Seiten füllt. Es wurde ein Katalog verabschiedet, wie die in Paris beschlossenen Klimasschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Atmosphärisch lief es gut, der Streit dürfte 2018 in Katowice ausgetragen werden.

Die 23. Klimakonferenz der UN - im Klimasprech "COP23" - ist Geschichte. Da war wenig vom üblichen Streit zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Die positiven Signale von Bonn: Die Kohlezeit geht zu Ende. Egal, wie schwierig die Diskussion in Berlin gerade ist. Mehr als 20 Staaten haben den Kohleausstieg bei der Klimakonferenz aus der Exotenecke rausgeholt.

Es war alles andere als ein Durchbruch - trotzdem gab die Klimakonferenz in Bonn Anlass zur Hoffnung. Ja, es geht voran, auch ohne die US-Regierung. Deutschland spielt in dem Prozess aber nur noch eine Nebenrolle: Die Führung haben andere übernommen. Die positiven Signale von Bonn: Die Kohlezeit geht zu Ende. Egal, wie schwierig die Diskussion in Berlin gerade ist. Mehr als 20 Staaten haben den Kohleausstieg bei der Klimakonferenz aus der Exotenecke rausgeholt.

Aktion am Rande des Klimagipfels in Bonn

Das wird zum Mainstream. Weil Kohlekraftwerke krank machen, weil sie der Klimakiller Nummer eins sind und vor allem: weil das Geld der Welt nicht mehr an Kohle glaubt. Die Investoren wenden sich ab. Wenn Siemens jetzt Leute entlassen muss, weil die weltweite Nachfrage nach Turbinen für Großkraftwerke zurückgeht, dann zeigt das: Es tut sich was - nicht nur bei Konferenzen, sondern in der realen Welt. Die setzt auf erneuerbare Energien.

Es tut sich etwas in Sachen Klimaschutz: Weil Kohlekraftwerke umweltschädlich sind und krank machen, weil sie der Klimakiller Nummer eins sind und vor allem: weil das Geld der Welt nicht mehr an Kohle glaubt. Die Investoren wenden sich ab. Wenn Siemens jetzt Leute entlassen muss, weil die weltweite Nachfrage nach Turbinen für Großkraftwerke zurückgeht, dann zeigt das: Es tut sich was - nicht nur bei Konferenzen, sondern in der realen Welt. Die setzt auf erneuerbare Energien.

Das andere Signal von Bonn: Die USA sind weiter - irgendwie - dabei. "We are still in" haben viele US-Bundesstaaten, Firmen und Städte hier mit einem ziemlich lauten und großen Auftritt klar gemacht. Wir machen weiter Klimaschutz und scheren uns nicht um Trump - mit "Stars" wie Arnold Schwarzenegger und dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Bloomberg. Auch von den anderen Nationen hat sich keiner mitreißen lassen vom Ausstieg Washingtons aus dem internationalen Klimaschutz. Donald allein zu Hause… eine klare Botschaft.

Blog-Artikel:

Mit Klimaschutz wenig am Hut

Klimakonferenz in Bonn


Literatur [ >> ] :

Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit Weltrisikogesellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit von Ulrich Beck

Mittwoch, 15. November 2017

100 Jahre Oktoberrevolution und ihre Bedeutung für die Gegenwart


Vor 100 Jahren war Sankt Petersburg Schauplatz der russischen Oktoberrevolution. Die Stadt begeht das Jubiläum aber nicht. Sie vermeidet Sowjet-Nostalgie und setzt stattdessen auf das Erbe der Zarenzeit. Die Oktoberrevolution vom 25. Oktober jul./ 7. November 1917 greg. führte zu der gewaltsamen Machtübernahme durch die kommunistischen Bolschewiki unter Führung Wladimir Iljitsch Lenins in Russland.

Die Oktoberrevolution von 1917 öffnete das Fenster in eine neue Zeit und war der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Die Revolution wird im Jahr 2017 unterschiedlich bewertet. Die Leitfrage nach der Bedeutung der Oktoberrevolution für die Gegenwart lautet: "Welche Bedeutung hat die Oktoberrevolution für Russland und die Welt heute?" Eine Veranstaltung im Deutschen Historischen Museum anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Revolution von 1917 ging dieser Frage auf den Grund. Und"der Liedermacher Wolf Biermann hat für diesen Anlass sehr fragwürdige Thesen parat.

Die russische Oktoberrevolution von 1917 gilt als eines der entscheidendsten Ereignisse der jüngeren Weltgeschichte: Nachdem das Zarenregime bereits durch die bürgerlich-liberale Februarrevolution gestürzt wurde, übernahmen in der Oktoberrevolution die kommunistischen Bolschewiki die Macht. Die Folge war ein verheerender Bürgerkrieg zwischen „Roten“ und „Weißen“, der erst 1922 endete. Die siegreichen Bolschewiki gründeten die Sowjetunion, die als Supermacht und Kernstaat des Realsozialismus bis 1991 die Weltpolitik prägen sollte.

Ideologisch gesehen markiert die russische Oktoberrevolution den Übergang vom Marxismus zum Leninismus.


Der Lyriker und Schriftsteller Wolf Biermann, dessen Ausbürgerung 1976 aus der DDR wegen staatskritischer Äußerungen heftige Künstlerproteste auslöste, hat seine ganz eigenen Thesen zu verkünden: So sei die Lage in Russland etwa noch gegen Ende der Zarenzeit eigentlich nicht schlechter gewesen als in – Schweden. Die implizierte Botschaft: Das revolutionäre Geschehen sei eigentlich ohne Anlass gewesen. Das provoziert Gelächter, aber auch Kopfschütteln im Publikum.

Weniger zum Lachen: Erst bezeichnet Biermann nicht nur den bolschewistischen Kommunismus, sondern auch heutige sozialistische Bewegungen als Suche nach der „Endlösung der sozialen Frage“ – die Anlehnung an NS-Rhetorik zum Völkermord an den europäischen Juden gibt er freimütig zu. Und weiter: „Mir der Revolution begann das Unglück“, ohne die Oktoberrevolution hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben, behauptet Biermann.

Da scheint für kurze Zeit der Geist von Ernst Nolte über der Versammlung im Museumshof zu schweben: Der bekannte Historiker hatte 1986 mit Thesen darüber, der Holocaust im Dritten Reich sei eigentlich nur eine Reaktion auf den Bolschewismus und seine Folgen gewesen, den berühmt-berüchtigten Historikerstreit ausgelöst. Die revisionistische Position Noltes und seiner Mitstreiter gilt heute weitgehend als widerlegt.

Weblinks:

Sankt Petersburg 100 Jahre nach der russischen Revolution - www.welt.de/reise

100 Jahre Oktoberrevolution: Zwischen Verdrängung und Erinnerung - www.vorwaerts.de