Mittwoch, 10. Januar 2018

CSU fordert konservative Revolution

Alexander Dobrindt

Im Herbst sind Landtagswahlen in Bayern - eine große Herausforderung für die CSU. Mit ihrer kleinkarierten Flüchtlingspolitik kommt die CSU nicht mehr weiter und setzt nun zum großen Wurf beim Wählerfang an. Nicht weniger als eine Revolution gar soll es nun sein!

Als Gegenentwurf zur linken Revolution der Eliten fordert Dobrindt eine konservative Revolution der Bürger. Eine solche Revolution erfordert jedoch ein breiteres Bewußtsein, als es bei Dobrindt vorhanden ist.

Die CSU will AfD-Wähler zurückerobern - mit einer bürgerlich-konservativen Wende, die Landesgruppenchef Dobrindt vor der Klausur in Seeon verspricht. Das große Ziel ist die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im Herbst.


Georg Restle über Dobrindts konservative Revolution:

"Lieber Alexander Dobrindt,

so so, auf eine linke Revolution der Eliten folge jetzt also endlich endlich eine konservative Revolution der Bürger, meinen Sie. Dazu hätte ich dann doch ein paar Fragen.

Erstens: Von welcher linken Revolution sprechen Sie denn da? Von 16 Jahren Helmut Kohl? Von sieben Jahren neoliberaler Schröder-Wende? Oder meinen Sie die zwölf Jahre Kanzlerschaft Merkels? Zusammengerechnet macht das 28 Jahre CSU an der Bundesregierung in den letzten 35 Jahren. Von Ihrer Dauerregierung in München ganz zu schweigen. Strauß, Stoiber und Seehofer als Vorhut des Proletariats: Sapperlot, dass so eine links-elitäre Revolution aussieht, hätten sich Marx, Engels & Co. wohl nicht mal in ihren kühnsten Träumen ausgedacht.

Zweitens: Was meinen Sie mit konservativer Revolution der Bürger? Die 13 % Wähler der AfD, auf die Sie scharf sind? Die nationalistischen Hass-Schleudern, die auch Ihre Facebook-Accounts zumüllen? Oder Ihren Freund Viktor Orbán, der von Europa, Demokratie und Bürgerrechten ungefähr so viel hält wie eine bayerische Wildsau vom Jägergruß?

Ja, und drittens, wo sehen Sie sich denn da? Als Autolobbyist und Mautbringer können Sie ja wahrlich punkten bei den konservativen Neu-Revoluzzern. Die haben auf einen wie Sie gerade gewartet. Nein, glauben Sie mir, so wird das nix mit dem Wahlsieg in Bayern, da müssten Sie sich ja geradezu selbst wegrevolutionieren, und den Söder gleich mit. Ob der das gut findet?"



Kommt die Revolution doch auf leisen Tatzen bzw. Pfoten, und nicht mit Pauken und Trompeten?

Widersprüchlich klingt die konservative Revolution, da konservativ das Gegenteil einer Revolution fordert.
Ist eine Revolution nicht zu viel für die wertkonservative CSU und gar der falsche Ansatz?
Ist für eine wertkonservative Partei eine Revolution nich eine Nummer zu groß?
Bei einer Revolution trifft neuartiges Gedankengut auf verfestigte gesellschaftliche Strukturen - Macht auf Gegenmacht.

Eine Reformation i.S. einer Neuausrichtung der Gesellschaft tut es doch sicher auch.

»Alle Revolutionen haben bisher nur eines bewiesen,
nämlich, dass sich vieles ändern lässt,
bloss nicht die Menschen.«


Karl Marx

Doch bei manch großer Revolution ist der Schuss schon nach hinten losgegangen und das gleiche Schicksal droht auch der CSU bei unsachgemäßem Umgang - und das am Vorabend des 100. Todesjahres von Kurt Eisler.

Video:

"Konservative Revolution der Bürger": Alexander Dobrindt fordert - www.youtube.com

Weblink:

Von Lümmeln, Bürgern, falschen Titeln - Peter Zwey-Blog - zwey.me

Sonntag, 7. Januar 2018

Die Deutschen sind GroKo-müde

DeutschlandTrend

Keine Partei hat bei der letzten Wahl so viele Prozente bekommen, dass sie den Anspruch erheben könnte, dass ihre Inhalte zum größten Teil für ganz Deutschland gelten sollten. Die Mehrheit der Deutschen lehnt laut DeutschlandTrend eine Neuauflage der GroKo ab. Nach zuletzt 61 Prozent Zustimmung wollen nun nur noch 45 Prozent das Bündnis. Kritisch wird die CSU gesehen.

Die GroKo-Müdigkeit der Wähler ist nicht weiter verwunderlich. In den letzten vier Jahren war zu sehen, das die GroKo auf der Stelle trat. Und was von den Sondierungsverhandlungen zu hören ist, betrifft auch nicht in erster Linie die Sorgen und Nöte der Bevölkerung. Eine Groko halten viele Wähler nicht für wünschenswert.

Wenn man eh immer einer große Koalition vorgesetzt bekommt, wofür überhaupt noch wählen gehen? Ich möchte keine Einheitspartei wie in der DDR sondern einen politisch diversen Bundestag in denen die verschiedenen Strömungen zu ihren Prinzipien stehen.

Es wird dann weiter „gewurstelt“. Ob dann dieses Zweckbündnis die gesamte Legislaturperiode hält, wagen viele zu bezweifeln. Warum denn keine Minderheitsregierung? Davor hat vor allem Frau Merkel berechtigte Angst, denn dann müsste „echte Parlamentsarbeit“ betrieben werden.


Bemerkenswert ist zudem, das die Zustimmung für Frau Merkel stetig sinkt. Das ist ein Zeichen dafür, das der Wähler eine Grundlegende Veränderung wünscht. Nach meiner Meinung wäre hier am besten eine Minderheitsregierung, die sich mit unterschiedlichen Parteien die Mehrheit zur Durchsetzung ihrer Politik suchen muß. Und das würde endlich mehr Demokratie in das verstaubte Parlament bringen.

Es wäre besser wenn Merkel endlich den Weg für die notwendigen Regenerationsprozesse frei macht, anstatt um der Macht willen am Stuhl kleben zu bleiben. So wie es jetzt ist hat diese Frau die politischen Kultur in Deutschland nachhaltig geschadet und sollte die SPD da jetzt mitmacht, werde ich die Partei in den nächsten zwanzig Jahren nicht mehr wählen, weil sie zum linken Flügel der CDU verkommen ist. Schade eigentlich weil die SPD meine erste Partei war.

Freitag, 5. Januar 2018

Bannons Enthüllungen über das Weiße Haus

Trump im Weißen Haus

Angesichts guter Wirtschaftsdaten hätte 2018 für Donald Trump eigentlich gut beginnen können. Das Gegenteil ist der Fall - dank eines neuen Enthüllungsbuchs des Autor Michael Wolff, in dem sein ehemaliger Chef-Beraters Steve Bannon zu Wort kommt und welches für viel Wirbel sorgt. Trump wird darin als Intrigant beschrieben, seine Truppe als völlig planlos. Amerika als Ordnungsmacht? Fehlanzeige.

Michael Wolff hat für seinen Insiderbericht "Fire and Fury" über 200 Gespräche mit dem US-Präsidenten und seinen Mitarbeitern geführt. Das Ergebnis ist voller pikanter Anekdoten und alles andere als schmeichelhaft.



Fire and Fury
Fire and Fury

Ehemalige Freunde werden oft zu gefährlichen und verbitterten Feinden, die mit ihren Enthüllungen aus dem Politbetrieb für Aufsehen sorgen und auf dem Buchmarkt Kasse machen wollen.

Bannons Vision von der Dekonstruktion des Staates ist bereits Wirklichkeit geworden.


Noch gibt es das Enthüllungsbuch "Fire and Fury" gar nicht zu kaufen. Präsident Trump versucht offenbar auch zu verhindern, dass es das jemals zu kaufen ist. Was darin steht, ist für Trump auch alles andere als schmeichelhaft. Zu Wort kommt unter anderem sein Ex-Chefstratege Bannon.

Das Traurige ist, dass bei so viel Chaos im Weißen Haus die USA immer noch weitaus besser und erfolgreicher regiert werden als Deutschland.

Weblink:

Trump-Buch: "Ein von Clowns umgebener Idiot" - www.tagesspiegel.de


Unterstützen Sie diesen Blog durch den Kauf eines Buches!


Literatur, die man tatsächlich kaufen kann:

Fire and Fury
Fire and Fury
von Michael Wolff



Samstag, 30. Dezember 2017

Kältewelle in den USA: Trump wünscht sich Erderwärmung

Snow in Pennsylvania

So kalt war der Winter in den USA schon lange nicht mehr. In einigen Städten wissen die Menschen nicht mehr wohin mit dem vielen Schnee, andernorts muss Spezialsalz eingesetzt werden. Für den Klimaskeptiker Trump eine dankbare Vorlage.

Soll das ein Witz sein oder setzt Trump tatsächlich auf die Erderwärmung im Kampf gegen die Kälte? Dann wäre er tatsächlich ein Fall für eien sofortige Amtsenthebung auf grund von Intelligenzmangel!

Trump weiss auch genau, welche Knöpfe er bei seinen einfach gestrickten Kernwählern drücken muss. Klimawandel? Eine Erfindung der Chinesen! Wer gesicherte Fakten verkennt, ist kein Skeptiker sondern ein Leugner. Trump leugnet den Klimawandel. Offenbar, weil er nicht einmal weiß, was Klima eigentlich ist.

Wie kann es sein, dass die doch gebildete Mehrzahl der Amerikaner unter diesem Präsidenten leiden müssen? Vielleicht sollte man eine Art Eignungstest für Präsidentschaftskandidaten einführen, der auch Allgemeinbildung beinhaltet.

Oh, möge jemand Mr Trump über globale Wetterphänomene, verursacht durch die Erderwärmung, aufklären. Selbst meine Schüler haben das verstanden!
Man denkt / hofft irgendwie, dass bei Trump langsam das Ende der Peinlichkeit und der fehlenden Bildung erreicht sein müsste. Aber irgendwie setzt Trump da immer noch einen drauf.

Also heizt mal schön mit euren Klimakillerschleudern ein, ihr Amis - auf das die Erde wärmer werde! Die nächsen Hochwasser im Auugst werden es euch schon danken. Vielleicht seid ihr Amis im letzten Jahr ja noch nicht genug abgesoffen.


Montag, 25. Dezember 2017

Papst Benedikt XVI. spendet „Urbi et Orbi“-Segen


Papst Benedikt XVI. hat vor Zehntausenden Menschen auf dem Petersplatz in Rom den apostolischen Segen „Urbi et Orbi“ gespendet. Dabei rief der Papst auch zu einer friedlichen Lösung der aktuellen Konflikte im Nahen Osten und in anderen Regionen der Welt auf.

Papst Franziskus hat in seiner Weihnachtsbotschaft an die Kriegs- und Krisenländer auf der Welt erinnert, besonders das Leid der Kinder betonte er. Franziskus forderte dazu auf, auf Menschen in Not zuzugehen.


Die Vatikan-Hymne erklang, Zehntausende hatten sich trotz strenger Sicherheitskontrollen auf dem Petersplatz versammelt, um den Papst zu hören. In seiner Weihnachtsbotschaft, die Franziskus von der Mittelloggia von St. Peter aus verlas, knüpfte er an seine Predigt aus der Christmette an. In der Nacht hatte Franziskus das Schicksal von Maria und Joseph in der biblischen Erzählung mit dem Schicksal heutiger Flüchtlinge verglichen. Heute wählte er als Bild für das Elend in der Welt, Kinder in Not, Kinder auf der Flucht:

"Wir erblicken Jesus in den vielen Kindern, die gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen, alleine unter unmenschlichen Bedingungen zu reisen und so zur einfachen Beute der Menschenhändler werden. In Ihren Augen sehen wir das Drama vieler Zwangsmigranten, die sogar ihr Leben riskieren, um kräftezehrende Reisen auf sich zu nehmen, die zuweilen in Tragödien enden."
Papst Franziskus

Der Papst warnt in seinem „Urbi et Orbi“-Segen vor Zuspitzung des Nahost-Konflikts. Israel und die Palästinenser sollen den Dialog wieder aufnehmen, so der Pontifex.

Samstag, 23. Dezember 2017

Keine Regierung unter dem Tannenbaum


Das hätten sich die Deutschen nicht träumen lassen,
daß sie auch nach drei Monaten noch immer
keine Regierung unter dem Tannenbaum liegen haben.

Überall erstrahlen die Weihnachtbäume in schönstem Schmuck,
nur in der Politik bleibt der zierende Schuck aus,
da sich die Parteien selbst mit dem besten Schmuck zieren wollen
und diesen selbstgefällig nur für sich reklamieren.

Der Wähler kann sich kaum vorstellen, daß diese politische Selbstgefälligkeit
der Darsteller eine Art sei, den Wählerauftrag adäquat umzusetzen.
In Berlin werden lieber dünne Bretter gebohrt als
verantwortungsvolle Politik gemacht.

»Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft« von Herfried Münkler

Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft
Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft

DasBuch»Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft« von Herfried Münkler und Marina Münkler beschäftigt sich mit den Folgen der Flüchtlingszuwanderung auf Deutschland und die Deutschen. Das Buch zur „Flüchtlingskrise“. Die Autoren möchten den Leser über die Aufgeregtheiten des politischen Tagesgeschehens hinaus heben und ein größeres Bild von Migration und Integration zeichnen.Deutschland ist aus seiner Behaglichkeit gerissen worden. Die Flüchtlingskrise hat die Grundprobleme unserer Gesellschaft sichtbar gemacht und gezeigt, dass das alte Deutschland unwiderruflich vergangen ist.

Herfried und Marina Münkler betten die aktuelle Situation ‒ jenseits der Aufgeregtheiten der Tagespolitik ‒ in den historischen Zusammenhang ein und weisen darauf hin, dass Wanderungs- und Fluchtbewegungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Deutschland hat sich immer wieder ‒ mit neuen Menschen ‒ neu aufgestellt. Das wird auch heute nicht ohne Brüche und Probleme abgehen: Mächtige, oft divergierende Kräfte werden in der deutschen Gesellschaft freigesetzt. Wie können sie beherrscht werden, was muss man tun, damit wir ihnen nicht wehrlos gegenüberstehen? Herfried und Marina Münkler benennen die Risiken und Gefahren präzise und realistisch; gleichzeitig zeigen sie aber auch die großen Chancen auf, die sich uns bieten.



Die Münklers beschäftigen sich mit den Folgen der Flüchtlingszuwanderung auf Deutschland und die Deutschen. Sie hinterlegen dies mit einigen grundsätzlichen Erwägungen zu Wanderungsbeweungen in der Geschichte, zur sozio-kulturellen Neigung des Menschen sowohl zur Veränderung als auch zur Beharrung und einigen Einschätzungen über unterschiedliche Typen von Wanderung von der klassischen Flucht vor Krieg oder Katastrophen bis zum Tourismus. Das ist alles sehr interessant, wenn man den Auffassungen der Autoren auch nicht immer unbedingt folgen muss.

Grundsätzlich erfolgt Wanderung, so die Münklers, vom Land in die Stadt. Und das muss auch so sein, da die Stadt als solche demographisch nicht überleben kann und auf beständige Zuwanderung angewiesen ist. Ihr bemühtes Bild vom reichen Norden als Stadt und vom armen Süden als Land ist aber nur begrenzt plausibel.

Insgesamt analysieren sie klug und definieren nachvollziehbar. Doch können die Münklers häufig nicht über ihren bildungsbürgerlichen Schatten springen. Sie schreiben viel über die Förderung von Integration als dessen Kern sie den Arbeitsmarkt herausarbeiten. Wie das konkret zu gestalten ist, fällt ihnen aber nicht viel mehr ein als Deregulierung. Und das obwohl sie zuvor richtigerweise schreiben, das die Ängste vor Billigkonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt viele wenig qualifizierte Menschen in die Arme von Rechtspopulisten oder gar Neo-Nazis treiben. Aber davor meinen die Münklers und die Leser ihres Buches wohl gefeit zu sein. So bleibt bei der Lektüre ein unangenehmes Gefühl zurück.

Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft
Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft


...

Das Buch zur „Flüchtlingskrise“. Die Autoren möchten den Leser über die Aufgeregtheiten des politischen Tagesgeschehens hinaus heben und ein größeres Bild von Migration und Integration zeichnen.

Zwei Prämissen prägen dieses Buch: a) Der demographische Wandel in der deutschen Gesellschaft (Bevölkerungsrückgang) ist eine hauptsächlich ökonomische Katastrophe, die nur durch Zuwanderung von Ausländern abgewendet werden kann. b) Migration ist ein normales Geschehen der Menschheitsgeschichte, es hat sie immer gegeben, es wird sie immer geben.

Daher die Autoren vorschlagen, Deutschland solle zu einem expliziten Einwanderungsland werden; und wie die Integration der Immigranten zu „Neuen Deutschen“ gelingen kann wird in elf Imperativen einer vorausschauenden Integrationspolitik zusammengefasst.

Dieses Buch ist in seinem anti-hysterischen Ansatz zu begrüßen, und man lernt einiges über die Fluidität von Gesellschaften im Laufe der Jahrtausende, über die Geschichte von Gast und Gastgeber, über die Unterschiede zwischen Multiethnizität und „Einverleibung“. Auch gehorchen die Vorschläge zur vorausschauenden Integrationspolitik durchweg einem pragmatischen gesunden Menschenverstand.
Dennoch habe ich dieses Buch hauptsächlich als Provokation erlebt, denn ich kann den Prämissen nicht folgen und sehe auch nicht, dass die Autoren zu den eigentlichen Problemen, welche die jüngste europäische Flüchtlingskrise aufgezeigt hat, vordringen.
Zur ersten Prämisse: eine kurze Recherche beim statistischen Bundesamt ergibt eine Zunahme der Beschäftigten in Deutschland zwischen 1991 und 2015/2016 von ca. 5 Millionen oder etwa 10 %; eine Zunahme der Bevölkerung um etwa 2 Millionen; eine Zunahme der Immigranten um etwa 2 Millionen - und eine Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts von 1,57 Milliarden auf 3,1 Milliarden €. Dass nun die bescheidene Zunahme der Beschäftigten oder gar der Ausländer für die Verdoppelung der Wirtschaftskraft verantwortlich sein sollen kann angezweifelt werden. Es ist heutzutage durchaus möglich, mit weniger Menschen mehr materiellen Wohlstand zu erwirtschaften. Die Koppelung von Wirtschaftskraft und Menschenmasse ist längst ausgesetzt. Nicht die Zunahme, sondern gerade der Rückgang der Bevölkerung kann als Chance für ein besseres Leben konzipiert werden, und darüber könnte man so einige kluge Bücher für die Zukunft nicht nur Deutschlands sondern der gesamten Menschheit schreiben.

Deutschland braucht keine massenhafte Zuwanderung um seinen materiellen Wohlstand und seine Wirtschaftskraft aufrechtzuerhalten, auch wenn dies immer und immer wieder von den Autoren behauptet wird.

Zur zweiten Prämisse: der Rückgriff auf Migrationsbewegungen bei den Römern oder Babyloniern ist sozialgeschichtlich ganz interessant, hilft aber nicht dabei, die modernen Migrationsbewegungen zu verstehen in ihren Ursachen und Folgen. Hier zeigt sich auch mein Konflikt mit der ersten Prämisse: die Migrationsströme offenbaren wohl Schwächen der Herkunftsländer, sie bieten aber in ihrer Masse keinerlei Heilsversprechen für die Zielländer.

Seltsamerweise gehen die Autoren davon aus, dass Deutschland kein explizites Einwanderungsland ist und sich erst der Zuwanderung öffnen muss. Dabei wird übersehen, dass das gesamte Projekt der Europäischen Union auch und gerade darauf hinausläuft, Deutschland für ausländische Arbeitnehmer zu öffnen. Wenn ich richtig gezählt habe, brauchen inzwischen Menschen aus 29 Ländern keine besondere Erlaubnis, um in Deutschland leben und arbeiten zu können. Dies wird von den Autoren praktisch nicht genannt und schon gar nicht gewürdigt.

Ein weiterer gravierender Stein des Anstoßes ist die fehlende Unterscheidung zwischen Asylsuchenden und Migranten in diesem Buch. Die Autoren versuchen zwar Arbeitsmigranten und Flüchtlinge gelegentlich zu trennen, werfen sie aber immer wieder als „Neuankömmlinge“ in einen Topf (Beispielsatz: „...und die Befunde der Migrationsforschung, denen zufolge noch nie zuvor so viele Menschen auf der Flucht waren wir zurzeit...“). Sie sprechen von „Asylmigration“, und geben irgendwann explizit die Trennung auf: „Wenn von Flüchtlings- und Migrantenströmen die Rede ist, verschwinden nicht nur der zentrale Unterschied zwischen Arbeitsmigranten und Bürgerkriegsflüchtlingen...“, Afghanen z.B. „sind Wirtschaftsmigranten und politische Flüchtlinge zugleich“.

Eine juristische Unterscheidung erachten die Autoren als obsolet, da die deutsche Justiz „auseinanderdividieren muss, was aufgrund der bestehenden Konstellationen nicht auseinanderzudividieren ist“, die Neuankömmlinge „zumeist selbst nicht wissen, was sie sind, politischer Flüchtling oder Arbeitsmigrant“. Die Autoren begeben sich hier auf einen gefährlichen Pfad, da sie letztendlich das Asylrecht aushebeln und in einem Einwanderungsgesetz aufgehen lassen wollen. Sie übersehen dabei, dass eine systematische Einwanderungspolitik nicht vor Flüchtlingen schützt, und dass Asylsuche und Migration ganz unterschiedliche Problemfelder darstellen.

Die Irritationen, die dieses Buch auslöst, werden noch gefördert durch gelegentliche Einschübe, die die Hauptargumentationen der Autoren auf den Kopf stellen, aber nicht weiter verfolgt werden. So findet sich der schöne Satz: „Der Süden bringt eine größeren Bevölkerungsüberschuss hervor, als der Norden aufnehmen kann und für seine soziale Reproduktion braucht“. Da kommen wir dem eigentlichen Problem der Migration doch schon näher (und Asien kann man getrost dazu rechnen).

„Nach UNHCR-Angaben weltweit mehr als 50 Millionen Flüchtlinge“ - auch das sind mehr als der Norden aufnehmen kann und mehr als ein irgendwie geartetes Asylrecht im Blick hat oder haben kann (und da sind noch nicht diejenigen mitgezählt, die an einer Flucht gehindert werden, weil sie in Gefängnissen schmachten et cetera). Hier kommen wir also dem eigentlichen Problem der Flucht näher.
In den Worten der Autoren: „Aber letzten Endes wird alles davon abhängen, dass die Länder der südlichen Hemisphäre sozial und wirtschaftlich stabilisiert werden“ (wobei Asien - und Mittelamerika - wieder dazu genommen werden können); von der Notwendigkeit einer „nachhaltigen Veränderung der politischen Konstellationen“ ist die Rede. Dafür fehlt aber „eigentlich jedes Konzept“. Und auch in diesem Buch wird keines geliefert, sondern mächtig um den Brei geredet, obwohl alles davon abhängt.





Literatur:

Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft
Die neuen Deutschen: Ein Land vor seiner Zukunft
von Herfried Münkler und Marina Münkler