Rechtzeitig zum Jahr 2014, 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, hat der englische Historiker Christopher Clark sein monumentales Werk "Die Schlafwandler" über die Wege der Politik zum Ersten Weltkrieg auf Deutsch vorgelegt und liefert dabei bahnbrechende neue Erkenntnisse über den Weg in den Ersten Weltkrieg 1914.
Der in Australien geborene Professor aus Cambridge bietet in seiner minutiösen Darstellung der Vorgeschichte des Krieges den Beweis, dass keineswegs das deutsche Kaiserreich wegen seiner Großmachtträume die Hauptverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges trägt.
Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass das deutsche Kaiserreich wegen seiner Großmachtträume die Hauptverantwortung am Ausbruch des Ersten Weltkriegs trug. In seinem bahnbrechenden neuen Werk kommt der renommierte Historiker und Bestsellerautor Christopher Clark mit Forschungsschwerpunkt Preußen zu einer anderen Einschätzung.
Clark zeichnet dagegen eine überaus komplexe Welt, in der gegenseitiges Mißtrauen, Fehleinschätzungen auf allen Seiten, Überheblichkeitz, Expansionspläne und nationalistische Bestrebungen, vor allem auf dem Balkan, dahin führten, dass ein Funke genügte, den Krieg auszulösen.
Frankreich wollte nie wieder Deutschland allein gegenüberstehen. Deswegen hatten seine Politiker ein festes Bündnis mit dem Zarenreich geschmiedet, bei dem am Ende nicht nur ein Konflikt mit Deutschland, sondern auch ein vom Balkan ausgehender Konflikt mit Österreich-Ungarn als Bündisfall galt.
England war mit der sog. "Triple Allianz" in dieses Bündnsisystem einbezogen, aber nachdem Deutschland das Wettrüsten der Hochseeflotten verloren hatte, trat Russland wieder als die Macht hervor, die den Interessen des Empires am gefährlichsten werden konnte. So hätte es nicht zwangsläufig zum Verhängnis kommen müssen.
In Deutschland war der zwischen Hochmut und Verzagtheit unglücklich schwankende Kaiser alles andere als ein Kriegstreiber. Anstatt die Russen in der Juli-Krise 1914 zu mäßigen, gab Frankreich ihnen völlig freie Hand, ebenso wie Deutschland das Österreich-Ungarn gegenüber bei dem Ultimatum an Serbien tat.
Christopher Clark unternimmt es in seinem monumentalen Buch, diese allzu sehr auf Deutschland fokussierte Sicht auf die Juli-Krise durch eine Perspektive zu ergänzen, die auch die anderen Großmächte sowie eine Reihe kleinerer europäischer Staaten in den Blick nimmt. Clark möchte herausarbeiten, welche Prozesse und Entwicklungen, welche Entscheidungen und Zäsuren eine Situation entstehen ließen, die den Ausbruch des Ersten Weltkrieges möglich machte.
Clark möchte ein "multipolares" und "interaktives" Bild von der europäischen Staatenwelt am Vorabend des Ersten Weltkrieges zeichnen. Daher räumt er allen fünf Großmächten - Deutschland, Österreich-Ungarn, Großbritannien, Frankreich und Russland - gleich viel Raum ein. Clark geht der Frage nach: Wie wirkten die Großmächte aufeinander ein, sei es als Verbündete, sei es als Gegner, und welche Dynamik ergab sich aus dieser Interaktion? Außerdem bezieht Clark, wenn es geboten ist, auch kleinere Staaten wie Italien, Serbien und Bulgarien in die Darstellung ein.
Weblink:
»Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog« von Christopher Clark