Samstag, 1. April 2017

Frankreich vor der Wahl

Franzosen mit Nationalflaggen

François Fillon, Marine le Pen, Emmanuel Macron - diese Kandidaten haben die besten Chancen und wollen an die Spitze Frankreichs. Selten war eine Frankreich-Wahl so wichtig. Gebannt verfolgt ganz Europa den französischen Wahlkampf.

Im Vorfeld der Wahl bringen sich die Kandidaten durch Skandale schon mal munter um ihre Wahlschancen. Um als Kandidat ungeeignet zu sein muss das Verhalten allerdings nicht immer strafrechtlich relevant sein. Es reicht, wenn es moralisch fragwürdig ist.

Der Skandal um den konservativen Kandidaten Fillon zeigt die Korruptheit der herrschenden Klasse in Frankreich überdeutlich und dass das Vertrauen in diese Parteien zu recht verloren gegangen ist. Wenn sich die Vorwürfe gegen Fillon bestätigen und im Moment sieht es ja so aus, dann dürfte er kein geeigneter Kandidat für das Präsidentenamt sein. Ein Raffke der allerersten Sorte, der Steuergelder in die Familienkasse umleitet- und dann von den Franzosen Opfer erwartet und Verzicht predigt.

Wenn Le Pen ein maximales Wählerpotential von 25 Prozent hat, kann sie zwar in der Vorwahl weiterkommen, weil die gemäßigten Politiker sich gegenseitig die Stimmen klauen. Sobald aber nur noch sie und die gemäßigtere Alternative im Rennen ist, stünde es denn 75 % zu 25 %. Es geht also nicht darum, dass sich die Elite gegen Le Pen entschieden hätte. Es geht darum, dass die Bevölkerung sie nicht will.

Die Franzosen haben die Wahl und da auch die Bürgerlichen und Gebildeten Le Pen nicht mehr von vorn herein ausschließen. läßt das vollkommen neue Konstellationen zu. Von daher ist nichts unmöglich.


Mittwoch, 29. März 2017

Wird Martin Schulz von der Agenda 2010 abrücken?

Martin Schulz am Tag seiner Wahl zum SPD-Parteivorsitzenden

Eine Schlüsselfrage, sich mit dem SPD-Kandidaten Martin Schulz stellt und mit der sich sein politisches Schickasl entscheiden wird: Wird er von der Agenda 2010 abrücken?

Von den letzen 19 Jahren war die SPD - bis auf 5 Jahre - in der Regierungsverantwortung und hat einige Jahre auch den Kanzler gestellt. Jetzt kommt ein hoher Repräsentant der EU wieder in die nationale Politik zurück und man könnte denken jetzt wird die Bundesrepublik sozial.

Schulz steht, wie alle Kanzlerkandidaten der SPD, unter dem enormen Druck des konserativen Seeheimer Kreises. Schulz muss sich von diesem lösen, und klar bekennen, das Schröders Agenda 2010 ein Fehler war, alles andere ist nicht Fleisch und nicht Fisch. Wenn die SPD wieder den Kanzler stellen möchte, dann geht das nur in eine Richtung: Scharf nach links.

Schröders Agenda 2010 ist von vorgestern, die SPD muss aber jetzt die Probleme von heute lösen und das größte Problem ist die stetig steigende Armut und Unzufriedenheit.

Samstag, 25. März 2017

»Die Abstiegsgesellschaft« von Oliver Nachtwey


Die Abstiegsgesellschaft:
Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne

»Die Abstiegsgesellschaft: Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne« von Oliver Nachtwey ist in der edition suhrkamp erschienen. Nachtwey untersucht, wie die Liberalisierung des Kapitalismus in den letzten vierzig Jahren unser Leben verändert hat. Das Buch liefert einen soziologischen Befund der Moderne unter dem Diktat der Ökonomie. Die Autor analysiert die gesellschaftlichen Brüche in der Moderne.

Die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs war eines der zentralen Versprechen der »alten« BRD – und tatsächlich wurde es meistens eingelöst: Aus dem Käfer wurde ein Audi, aus Facharbeiterkindern Akademiker. Mittlerweile ist der gesellschaftliche Fahrstuhl stecken geblieben: Uniabschlüsse bedeuten nicht mehr automatisch Status und Sicherheit, Arbeitnehmer bekommen immer weniger ab vom großen Kuchen.

Nachtwey betreibt eine Dekonstruktion der Moderne und damit Gesellschaftsanalyse im besten Sinne: Er beschreibt nicht nur, sondern erklärt auch die Veränderungen. Er geht - wie Marx - von den ökonomischen Produktionsverhältnissen aus, behält die Gesellschaft aber im Blick. Er diskutiert eine Fülle soziologischer Fachdiskurse, verliert sich aber nicht darin; er schreibt für ein breites Publikum, ohne dabei trivial zu werden.

Oliver Nachtwey analysiert die Ursachen dieses Bruchs und befasst sich mit dem Konfliktpotenzial, das dadurch entsteht: Selbst wenn Deutschland bislang relativ glimpflich durch die Krise gekommen sein mag, könnten auch hierzulande bald soziale Auseinandersetzungen auf uns zukommen, die heute bereits die Gesellschaften Südeuropas erschüttern.

Nachtwey unterscheidet die soziale Moderne von der regressiven Moderne. Die soziale Moderne begann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland (Wirtschaftswunder, Aufstieg, Fahrstuhleffekt) und endete um den Dreh mit dem Mauerfall 1989.

Seit dieser Zeit geht es abwärts mit den Löhnen, abwärts mit den Berufschancen, abwärts mit dem faktischen Wert von Hochschulabschlüssen, abwärts mit den politischen Einflusschancen der unteren Einkommenshälfte der Bevölkerung (Rolltreppe, die nach unten fährt).


Literatur:


Die Abstiegsgesellschaft: Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne (edition suhrkamp)
von Oliver Nachtwey