Donnerstag, 30. Juni 2011

Bundestag will Atomausstieg beschließen

Das Ende eines jahrzehntelangen Kampfes - so scheint es zumindest: Eine ganz große Koalition aus Union, FDP, SPD und Grünen wird heute den Atomausstieg beschließen. Doch davor wird im Bundestag noch einmal heftig gestritten. Sicherlich eine denkwürdige Debatte der politschen Akteure, denn es geht um die Frage: Wem gehört der Ausstieg?
 
Der Beschluss wurde von einer heftigen und hitzigen Debatte über denAtomausstieg im Bundestag begleitet. Besonders SPD und Grüne haben versucht, mit einer Lobesrede auf die eigenen Bemühungen den Atomausstieg für sich zu reklamieren und auf ihre Fahne zu schreiben.

SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete im Bundestag den geplanten Atomausstieg als "energiepolitisches Waterloo" der Bundesregierung. "Denn dieser Ausstieg ist unser Ausstieg - und so wird es bleiben", sagte er in der abschließenden Debatte über die Energiewende. Damit Planbarkeit und Berechenbarkeit zurückkämen, stimme die SPD dem jetzt vereinbarten Atomausstieg bis 2022 zu.

Gabriel warf der Regierungskoalition zugleich vor, das Vorhaben allein aus Gründen des Machterhalts zu vollziehen. Das Projekt sei kein Ausdruck von Überzeugung von CDU/CSU und FDP. Noch vor einem halben Jahr hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Umweltminister Norbert Röttgen den Atomkonzernen bis zu 14 Jahre längere Laufzeiten für die Atommeiler geschenkt. Erst Fukushima habe die Regierung aus Union und FDP zur Kehrtwende zu rot-grüner Politik gezwungen: "Das ist ein großer Tag der Genugtuung", sagte Gabriel.

Nach Aussage der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast ist der Atomausstieg nur ein Zwischenschritt der Anti-Atomkraft-Bewegung und ihrer Partei. "Wir sind noch lange nicht fertig, wir fangen jetzt erst richtig an", sagte Künast im Bundestag. Die Regierung habe die Sicherheit der verbleibenden Atomkraftwerke nicht geregelt, sagte Künast weiter. Außerdem gehe es um eine zukunftsfähige, dezentrale und nachhaltige Energieversorgung. Das "Ja" der Grünen zur Energiewende sei ein "Ja, aber", betonte Künast. So sei etwa das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent zu steigern, nicht ausreichend.

Dennoch könne "gerne das Wort eines großen Konsenses" bemüht werden. Sie würdigte zugleich die Rolle der Anti-Atomkraft-Bewegung: "Ich bin heute stolz, auch ein bisschen gerührt, was eine Bewegung, die diskriminiert, auch kriminalisiert wurde, alles geschafft hat." Die Grünen hatten am Wochenende bei einem Sonderparteitag für die Ausstiegspläne der Regierung gestimmt.

Der Beschluss des Bundestages bedeutet im übrigen nicht, dass er von einer späteren Regierung nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Ein endgültiger Ausstieg müsste im Grundgesetz verankert werden, damit er mit mit 3/4-Mehrheit überstimmt werden kann.

Weblink

Hitzige Debatte über Atomausstieg im Bundestag - Übereinander schimpfen, miteinander stimmen

Blog-Artikel:

Atomausstieg und "German angst"

Dienstag, 28. Juni 2011

Die japanische Katastrophe hat deutsche Energiepolitik gemacht

Die atomare Katastrophe von Fukushima hat deutsche Energiepolitik gemacht, tiefe Spuren hinterlassen und eine grundlegende Wende in der Atompolitik herbeigeführt, die vorher als undenkbar galt. Der geplante Atomausstieg in Deutschland wird nun auch zum Modell für andere Länder, welche die Atomkraft nutzen.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin fordert nach der Atomkatastrophe von Fukushima weitere Konsequenzen. Nach einem Besuch im Evakuierungsgebiet um die havarierten Reaktoren in Japan kritisierte Trittin am 15. Juni 2011, dass wegen des Atomausstiegs von den Kraftwerksbetreibern "das Gespenst des Blackouts an die Wand gemalt" werde.

Er hat es schon immer gewusst: Atomkraft bringt Verderben - den größten anzunehmenden Unfall, wie Japan ihn erlebt. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wurde bei seinem Besuch in der Region Fukushima empfangen wie ein Heilsbringer.

In der japanischen Bevölkerung gebe es ein Umdenken, so Jürgen Trittin.
Er erklärte den Japanern bei seinem Besuch "Atomausstieg": "Ich begrüße die deutsche Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie", stellte Takao Watanabe, Bürgermeister der japanischen Stadt Iwaki, Trittin vor. "Das ist der richtige Weg auch für Japan, hier wird es aber etwas länger dauern."


Nichts ist okay in Fukushima - auch drei Monate nach der Katastrophe nicht. 23.000 Menschen sind gestorben oder gelten als vermisst. Acht Arbeiter wurden bei den Aufräumarbeiten verstrahlt. Das Kraftwerk ist eine gespenstische Ruine. Noch immer entweicht Radioaktivität. Die Mehrheit der Japaner ist inzwischen für einen schrittweisen Ausstieg. Ihr Vorbild heißt Deutschland. Ein Vordenker ist Jürgen Trittin. Zu Hause

allerdings ist es die schwarz-gelbe Bundesregierung, die den Ausstieg für 2022 plant. Und die Grünen ringen um ihren Weg: Realpolitik oder Dagegen-Partei? Mitgestalten oder Angela Merkel den Triumph überlassen?
"Öko-Stalinist" wurde Jürgen Trittin einmal genannt. Traurig, aber wahr: Fukushima hat seinen grünen Traum in Deutschland wirklich und in der Welt populär gemacht. Auf die Fahnen schreiben aber werden sich den Ausstieg hierzulande wohl andere.

Weblink:

Wie geht's weiter? - Jürgen Trittin über Fukushima und Atomausstieg

Blog-Artikel:

Atomausstieg und "German angst"

Montag, 27. Juni 2011

Parteitag der Grünen in Berlin

Parteitag der Grünen in Berlin

Beim Thema Atomausstieg ist das Spektrum der Meinungen bei den Grünen durchaus geteilt. Das machte auch der Sonderparteitag der Grünen in Berlin wieder einmal deutlich: Von der Totalopposition mit einem trotzigen "Abschalten sofort", dem vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie vor 2022 oder schlitzohrig dem Atomkonsens der schwarz-gelben Bundesregierung zuzustimmen, um im zweiten Schritt für mehr zu kämpfen - reichte die Bandbreite.

Es geht dabei um die Frage »Wieviel Atomausstieg kann in welchem Zeitraum politisch durchgesetzt werden«. Darum rangen die Grünen bei ihrem Sonderparteitag in Berlin. Das "Ja" zum Entschluss der Grünen-Spitze kam nach einer sachlichen Redeschlacht - samt Gastredner Klaus Töpfer. Die Parteispitze bat daher die Delegierten, dem Atomausstieg der Bundesregierung zuzustimmen.

Erwartungsgemäß entschied sich der Grünen-Parteitag für den schwarz-gelben Atomausstieg. Wenn aber Bundeskanzlerin Angela Merkel plötzlich grüne Politik macht, dann sei man - wie Künast es am Rednerpult formulierte - so "hinterhältig und schamlos" zuzustimmen. Der Kampf um einen früheren Ausstieg, ohnehin Beschlusslage bei den Grünen, gehe selbstverständlich weiter.

Die Grünen-Promis hatten sich am Applaus gemessen argumentativ gut gerüstet - besser als die meisten Gegenredner, die für ein "Nein" plädierten. Und so war es im Verlauf des Tages keine große Überraschung mehr, dass sich der Antrag der Grünen-Spitze durchsetzte.

Weblink

"Seid so hinterhältig und stimmt zu!" - Grünen-Parteitag für schwarz-gelben Atomausstieg