Montag, 28. November 2011

Die Schmähung des "Wutbürgers"

Der Begriff "Wutbürger" ist ein mediales Schlagwort, das in Deutschland als Neologismus im Jahre 2010 aufkam. Bei dem betreffenden Personenkreis handelt es sich vornehmlich um eine ältere und wohlhabende konservative Personengruppe, die sich mit „Wut“ und „Empörung“ gegen als Willkür empfundenen politischen Entscheidungen wendet, und sich durch einen ausdauernden Protestwillen auszeichnet.

Die Schmähung des mit den Zuständen unzufriedenen (deutschen) Bürgers durch konservativ-wirtschaftsliberale Kreise fiel erstmals im Gefolge der Proteste gegen das Projekt "Stuttgart 21" auf. Hier tauchte zum ersten Mal der pejorative Begriff "Wutbürger" auf, mit dem auch die nichtkonservative Presse fortan im Übrigen sehr unreflektiert umging.

Jegliches Erregungspotential, sei es nun mehr oder weniger berechtigt, wurde nun in seiner Legitimation heruntergedimmt auf seinen krawalligen und daher dubiosen Absender, eben den Wutbürger, der immer gleich für oder gegen alles auf die Palme (oder Juchtenkäfer-bewohnte Eiche) geht. Der schmähende Gesamteindruck, der so über protestierende Bürger geschürt werden sollte, war mit dem Label "Wutbürger" bestens erzeugt.

Dem sogenannten „Wutbürger“ wurden in einigen Medien auch negative Eigenschaften zugeschrieben, zum Beispiel „renitent“, „egoistisch“ und „spießbürgerlich“.

Die Renitenz, die in diesem Begriff anklingt und die als skeptische Kraft zunächst nichts Schlechtes ist, soll als psychisch-affektive Disposition (Wut, Zorn, notorische Reaktanz) disqualifiziert und als nicht wirklich politisch inspiriert verunglimpft werden. (Zugestehen muss man allerdings, dass manche Gruppen von z.B. NGO's bei ihrer Benennung sich keinen wirklichen Gefallen damit getan haben, sich einiger Metaphern aus dem Begriffsumfeld der Hysterie zu bedienen wie per exemplum "Aufschrei". Wer aufschreit, neigt zum Kreischen und zur hysterischen Exaltatio, Kreischen wirkt immer überfordert, wahlweise: hirnlos.)

Berechtigte wohlüberlegte Kritik dagegen als Wutbürgertum zu schmähen, stellt eine Gemeinheit dar, die natürlich nur konservativen Betonköpfen einfallen kann. Als Remedur gegen Jammer aus Habit und Langeweile empfiehlt sich also unserem Deutschland-Modellbewohner in seinem propagiertem Wohlstand und Wohlergehen der Verweis auf den Status quo im feudalen föderalen Bundes-Paradies Deutschland in Deutschland hat man schon aus Prinzip nun das wutbürgerliche Maul zu halten, denn es geht uns hier gut - verordnet per Dekret.

Europa auf dem Weg zur Schuldenunion



Nur einen Monat nach den Beschlüssen des Brüsseler Gipfels streitet Europa wieder um die richtigen Mittel gegen die Schuldenkrise.EU-Kommissionspräsident Barroso legte diese Woche Pläne für die Einführung von Eurobonds vor, gemeinsamen Anleihen aller Euro-Staaten. Doch Kanzlerin Merkel erteilte ihm eine Abfuhr.

Auch der Plan der Franzosen, die Europäische Zentralbank solle Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten in großem Stil aufkaufen, ist nach einem Treffen von Merkel mit Frankreichs Präsident Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Monti erstmal wieder vom Tisch. Stattdessen soll die Euro-Zone zur Fiskalunion ausgebaut werden.

Doch der Druck nimmt zu: Portugals Kreditwürdigkeit wurde diese Woche auf Ramsch-Niveau herabgestuft, die Zinsen für italienische und spanische Anleihen schießen in die Höhe und Deutschland bleibt erstmals auf einem Teil seiner Staatsanleihen sitzen.

Ist damit die Krise in Deutschland angekommen? Wären Eurobonds ein wirksames Mittel gegen die Krise oder sollte die EZB eine größere Macht bekommen? Ist der Euro-Rettungsschirm schon gescheitert und Europa jetzt auf dem Weg zur Schuldenunion? Darüber diskutiert WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn im ARD-Presseclub mit seinen Gästen.

Sonntag, 27. November 2011

Der zweite Teil der Revolution

Protestierende auf dem Tahrir-Platz

Das grosse Versprechen der ägyptischen Revolution nach Freiheit ist nicht eingelöst wurden. Das Militär hat das Versprechen aus Ablehnung der Demokratie nicht einlösen wollen. Die Revolutionäre wurden um ihre Hoffnungen betrogen. Auf dem Tahir in Kairo tobt der zweite Teil der Revolution. Viele bedauern, den Tahir-Platz im Januar verlassen zu haben.

In Ägypten ist das Volk unzufrieden mit der Herrrschaft des Militärs. Diese Herrschaft ist nicht das, wofür sie im Januar auf die Strasse gegangen sind. Das Volk fühlt sich vom Militär nicht vertreten.

Der Tahir-Platz ist immer noch das Symbol des Wandels. Die Menschen auf dem Platz wollen das Militär stürzen sehen, denn das Militär ist nicht die Interessenvertretung des Volkes. Ägyptens Militär führt in dem Land ein Eigenleben, schon immer. Das Militär hält von Demokratie wenig, weil diese eigenen Regeln von Mehrheit und Minderheit folgt und nicht einem steuerbaren Mechanismus von Befehl und Gehorsam.

Das Land am Nil ringt mit sich selbst und der Ausgang des Protestes wie der auch am Montag stattfindenden Wahlen ist nach wie vor offen. Die Atmosphäre ist zum Zerreissen gespannt. Der Mut, die Einsatz- und Opferbereitschaft der Demonstrierenden wird am Ende über den Ausgang entscheiden.