Joschka Fischer (66), Ex-Außenminister und nittlerweile etablierter Unternehmensberater und Lobbyist hat ein Buch geschrieben, dessen Titel in seiner offenen Fragestellung einen Aufschrei in der politischen Landschaft erzeugt hat: Scheitert Europa? Der überzeugte Europäer macht sich darin Sorgen um die EU und die europäische Politik unter den Bedingungen eines gewandelten Europas.
Joschka Fischer, der als Außenminister der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005 maßgeblich am europäischen Einigungsprozess beteiligt war, analysiert in seinem Buch die Ursachen der verschiedenen Krisenherde und der politischen Stagnation in Europa, die verheerende Folgen für die Sicherheit, die Demokratie und den Wohlstand in Europa haben kann. "Noch nie war das europäische Integrationsprojekt so gefährdet wie heute."
Aus Fischers Sicht nicht in erster Linie wegen der wirtschaftlichen Schwäche Europas. Auch nicht, weil Wladimir Putin auf eine "neoimperiale Politik" setzt. Wirkliche Gefahr für die EU lauert in Deutschland, und da vor allem in Angela Merkels Außenpolitik. Der Kanzlerin fehle es vor allem an strategischem Denken, bemängelt Fischer in seiner Analyse. Bei Helmut Kohl gab es hier kein Defizit. Kohl habe das europäische Ziel nie aus den Augen verloren. Merkel aber habe ein Vakuum entstehen lassen.
Fischers Vorwurf: Angela Merkel agiert nicht europäisch. Der politische Mahner Joschka Fischer gründet seine Kritik mit den von Deutschland durchgesetzten Sparauflagen für die europäischen Krisenländer. Merkels Kurs findet Fischer nicht nur in der Sache falsch, er hält vor allem die politische Wirkung für verheerend. Der Ex-Außenminister sieht das europäische Projekt durch das politische Personal akut gefährdet. Der stotternde deutsch-französische Motor, die "gewisse deutsche Hochnäsigkeit, überall gebe es eine Renationalisierungsprozess". Wenn der Weg zu einem "deutschen Europa" führen solle, werde die EU scheitern, prophezeiht er düster. Diese sei einst gegründet worden, um das wiederstarkende Deutschland einzubinden. Fischer entwickelt als überzeugter Europäer überraschende strategische Ideen, um den europäischen Einigungsprozess wiederzubeleben und die EU zu reformieren. Er will ein "europäisches Deutschland", also die Abgabe von Macht aus Berlin nach Brüssel. Zumindest in der Wirtschafts-, Finanz- und vielleicht auch in der Außenpolitik. Man spürt beim dem Analytiker der Macht die ungebrochene Lust an der Analyse und am Malen großer Zukunftsentürfe.
Weblink:
Scheitert Europa? von Joschka Fischer