Sind die Ideale der Europäischen Union zum Scheitern verurteilt? Darüber
spricht Richard David Precht in seiner ZDF-Philosophiesendung mit dem
ehemaligen Außenminister Joschka Fischer. Erst bekam die EU den
Friedensnobelpreis, doch jetzt treibt die Flüchtlingskrise die
Gemeinschaft auseinander. Ist die europäische Einheit nur eine Fiktion?
Was überhaupt ist Europa? Gibt es die vielbeschworene Wertegemeinschaft?
Fragen an den überzeugten Europäer Joschka Fischer.
„Europa besteht aus Staaten, die sich nicht vorschreiben lassen wollen,
was sie selbst beschlossen haben.“ So brachte es der Kabarettist Werner
Schneyder einmal auf den Punkt. Eurokrise, Ukrainekonflikt,
Flüchtlingsströme, umstrittene Osterweiterung, Bürokratie-Moloch,
Rechtspopulismus. Wird die große Idee vom geeinten Europa am Ende eben
doch nur vom Kalkül einer wirtschaftlichen Interessensgemeinschaft
beherrscht, in der jedes Land nur seinen Vorteil sucht?
Friedensnobelpreis - zurecht erhalten?
Vor drei Jahren erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis – für sechs Jahrzehnte Frieden in Europa.
Aber ist dies tatsächlich das Verdienst der EU? Sind Europa und der
europäische Einigungsprozess das gleiche? Was ist das überhaupt –
Europa? Ein Kontinent, eine historische Verpflichtung, ein Binnenmarkt
oder gar eine Wertegemeinschaft? Angesichts der jüngsten Ereignisse um
die große Zahl von Menschen die aus aller Herren Länder nach Europa
strömen, zeigt sich Europa jedenfalls unsolidarisch und zerstritten. Ist
die europäische Einheit nur eine Fiktion? Sind jene viel beschworenen
europäischen Werte wie Freiheit, Vernunft, Gewaltenteilung, Demokratie,
Toleranz denn überhaupt genuine Errungenschaften unserer abendländischen
Kultur, der Antike, des Christentums oder der Aufklärung?
Das Bemühen um eine gemeinsam getragene europäische Verfassung ist vorerst
gescheitert. Mehr denn je zeigt sich Europa zerrissen zwischen
supranationaler Solidarität und nationaler Souveränität, zwischen
politischen Idealisten, noch mehr Lobbyisten und noch viel mehr
desinteressierten Bürgern, zwischen armen und reichen Ländern. Aber auch
zwischen Neumitgliedern wie Ungarn, Kroatien oder Tschechien, die ihren
lange unterdrückten Nationalstolz aufleben lassen, während die
unangefochtenen Hegemonialmächte Deutschland und Frankreich an allen
europäischen Instanzen vorbei ihr eigenes Süppchen kochen.
Wird es eine europäische Identität geben?
Haben sich die Architekten der Europäischen Union das so vorgestellt? Ist das
Konstrukt aus Parlament, Kommission und Rat letztendlich wirklich
handlungsfähig und transparent genug, um beim Bürger eine europäische
Identität wachsen zu lassen? Wird der Überbau der europäischen Ideale
nicht von unsinnigen DIN-Vorschriften, Wirtschaftslobbyismus und
Quoten-Geschacher ausgehöhlt? Brauchen wir ein neues Europa, nicht
errichtet auf den Ruinen des alten Kontinents, sondern entwickelt aus
der Quintessenz unserer heutigen modernen Gesellschaft? In transparenter
Leichtbauweise, so Richard David Precht, so dass es nicht nur nach innen, sondern auch
nach außen ein Profil zeigt, hinter dem wir Europäer geschlossen stehen
wollen?
Weblink:
Europa - Kaputte Gemeinschaft? - Richard David Precht im Gespräch mit Joschka Fischer
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