Samstag, 14. November 2015

Ein Nachruf auf Helmut Schmidt

Helmut Schmidt, der letzte Kanzler, der sich einen Dreck um seine Popularität geschert hat, und stets das getan hat, was er für das deutsche Volk für am besten hielt, zeigt sehr nüchtern und eindrucksvoll auf, wie er Politik und Demokratie versteht, warum er wie gehandelt hat, warum er Fehler eingesteht, warum er nie an seinem Posten geklebt hat und wie er die heutige Situation der Welt sieht. Hier kommt ein erfahrener, weiser Mann mit einem tief verwurzelten Demokratieverständnis zu Wort.

Die Nachrufer glänzen heute nicht gerade mit Originalität. Sie wiederholen die längst bekannten Urteile und Meinungen über ihn. Er hat so lange gelebt und gewirkt, dass alles längst gesagt schien. Die Anteilnahme des Volks an seinem Tod erzählt etwas ganz anderes. Er gab ihnen bis zuletzt die Sicherheit, dass einer noch lebt, der das Ruder in der Hand halten kann, wenn Not am Mann, dass einer immer noch den kühlen Kopf oben behielt , vor dem Äußersten nicht zu kapitulieren, sondern handlungsfähig zu bleiben.

Seine politische Philosophie hat noch niemand begriffen. Sein Charisma blendete die Schar seiner Freunde und Bewunderer wohl zu sehr. Die jüngeren Journalisten, wie Beckmann und Maischberger, die an ihm hingen, wie kleine Kinder an ihrem Großvater, wie an einem Guru der Realpolitik und der Tatsachenwelt, sie wussten rein gar nichts Eigenes zu sagen. Sein Tod entblößt ihre Sprachlosigkeit. Auch der Pfälzer Beck, einst SPD Vorsitzender, kam über die Verlautbarung seiner persönlichen Behaglichkeit und Trivialität kaum hinaus.

Schmidt hat ein kleines Bild vom Menschen, seine Erfahrung mit den anderen, die er gerne als ratlose Hühner bezeichnet hat, sein Missmut über die verantwortungslosen, großmäuligen Medien ließ ihn an keine Utopie oder Ideologie von der Entwicklungsfähigkeit und Einzigartigkeit des Menschen glauben. Er hatte auch kein Vertrauen zu symbolischen, großen Gesten. Kleine Schritte waren seine Metaphern. Es waren Unheil und Nöte aufzuhalten, von Wundern träumte er wohl nie.

Durch seine elegante Rhetorik, die seine Leidenschaft war, versteckte er schauspielerisch die Sprödigkeit und Schlichtheit seiner Lebensführung. Nicht der Askese galt seine Neigung, denn sie war nur Schein, seine Abwehr des für ihnvollkommen unnötigen Luxus. Er verabscheute Symbolpolitik, die immer Schleifchen um ihre Dürftigkeit winden will , aber er war selbst ein Symbol, ein Repräsentant des bescheidenen, nüchternen Geistes der alten und neuen Republik. Res publica , Sache des Staates, ganz seine Sache.

Literatur:

Was ich noch sagen wollte
Was ich noch sagen wollte
von Helmut Schmidt

Außer Dienst: Eine Bilanz
Außer Dienst: Eine Bilanz
von Helmut Schmidt

Helmut Schmidt: Die späten Jahre
Helmut Schmidt: Die späten Jahre
von Thomas Karlauf

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